The Road to Baku 2012: Bernd Ochs berichtet aus Baku

Bernd Ochs mit Roman Lob
Mein Kollege beim Radio, Bernd Ochs, ist gerade in Baku. Über Facebook habe ich ihm einige Fragen gestellt, die mich - und hoffentlich euch auch, liebe Leser/innen - sehr interessieren. Hier sind seine Antworten:
Nunmehr zum zwölften Mal bin ich bei einem ESC live vor Ort. Seit 2001 berichte ich fuer Radio SUB, einer schwul-lesbischen Sendung im offenen Radiokanal Frankfurt am Main (Radio X) und blicke hinter die Kulissen. Natürlich ist der Hauptgrund die Leidenschaft und ja, auch das Hobby zum Wettbewerb.
Ich hatte ja schon öfter Zweifel und wollte aussetzten, wie zum Beispiel bei der Ukraine, Moskau oder Belgrad. Aber hinterher war ich dann doch ganz froh, dabei gewesen zu sein!
Und so gab es auch heuer erhebliche Zweifel und ich hatte mich auch schon dagegen entschieden. Zum einen waren es die Berichte über die Menschenrechte, zum anderen aber auch der teure Flugpreis. Da ich zu lange gehadert hatte, bekam ich einfach keinen guten Flug zu einem vernünftigen Preis. Ich wollte nicht für 800 mit schlechten Anschlüssen, ewigen Umstiegszeiten mit nicht erstrebenswerten Fluggesellschaften fliegen. So hatte ich meine Entscheidung gegen Baku sogar im Februar groß in Facebook gepostet. Aber so ganz konnte ich ja dann doch nicht ablassen. Sollte ich meine ESC Serie unterbrechen? Meine Freunde, mit denen ich sonst immer die Zeit beim Grand Prix verbringe, waren nahezu entsetzt. Und so habe ich mich dann doch ein wenig belaatschern lassen und dann sogar noch einen guten Flug für einen guten Preis gefunden. Und jetzt bin ich da!!!
Allerdings zählte Aserbaidschan sicher nicht zu meinen bevorzugten Reisezielen. Gerade der Konflikt mit Armenien, auch in Bezug auf den ESC schmeckte mir gar nicht. Ich muss aber auch zugeben, dass mein Wissen über dieses Land nicht das dollste ist. 


Das illuminierte Baku
Und wenn ich das mal mit den letzten Jahren vergleiche, muss ich sagen, dass diese Reise hierher ganz sicher erstrebenswert war und noch ist.
Die Stadt ist unfassbar, eine Mischung aus ganz moderner Baukunst und Altbauten. Die Aserbaidschaner lieben Licht und Illumation. Reich an Energien wird hier alles beleuchtet und zwar spektakulär. Wir sind hier alle sehr willkommen, die Menschen sind unglaublich gastfreundlich, kein Vergleich zu Moskau in 2009!
Ja, und die Menschenrechte wurden insbesondere ja in Deutschland intensiv diskutiert. Aber für ein muslimisches Land ist hier vieles besser als zu erwarten war. 
Seit 2001 ist Homosexualität nicht mehr strafbar. Aber natürlich ist sie nicht gerne gesehen. Das Problem ist eher die gesellschaftliche Ächtung. Schwule Bars gibt es offiziell nicht, aber an ein paar wenigen Orten rottet man sich dann doch zusammen. Die Familie ist hier wohl der größte Knackpunkt. Da wird es in der Regel gar nicht akzeptiert und es kommt sogar zur Zwangsehe oder gar zum Ehrenmord. 
Körperliche Nähe, Händchen halten oder Arm in Arm laufen zählt hier auch bei den Männern als normal. Aber Liebe unter Männern, gar Beziehungen sind ungewöhnlich und verpönt. Die Polizei verfolgt es zwar nicht, aber wenn doch jemand enttarnt wird, dann wird gerne mal Geld erpresst, ansonsten wird man vor der Familie verpfiffen. Es erinnert also alles an die 70er Jahre in Deutschland.
90 Prozent der Bevölkerung sind zwar Moslems, aber die meisten haben aus der russischen Zeit den Bezug zum Glauben auf der Strecke gelassen. So sieht man hier weder Frauen mit Kopftuch, noch bestimmen Moscheen das Stadtbild. Alkohol wird auch in allen Lokalen ausgeschenkt, Sperrstunde gibt es auch nicht. Dem Nachbarn Iran ist das wohl auch ein Dorn im Auge und droht deswegen auch gerne mit Anschlägen. Gerade der ESC gilt dort als schwule Veranstaltung und wurde im Vorfeld stark kritisiert. Und jetzt ist der norwegische Teilnehmer (Tooji) gebürtiger Iraner und obendrein noch offen schwul - was davon mal abgesehen auch unübersehbar ist. Alles ein Affront für den Iran!
Aber auch in Aserbaidschan gibt es sehr starke antischwule Tendenzen. So wurde auch von einer entsprechenden Gruppierung die wohl bekannteste Website eines ESC Berichterstatters (esctoday.com) gehackt und viele Daten wohl unwiederbringlich gelöscht. Ein kleiner Skandal hier.
Natürlich bin ich für meinen Tripp auch sehr kritisiert worden. Gerade wegen der Menschenrechte. Und immer die Diskussion, ist der ESC politisch oder nicht etc. Aber auch dazu habe ich eine Meinung.
Dem Veranstalter, der EBU (European Broadcasting Union) ist durchaus klar, dass die meinsten Fans und auch Journalisten schwul sind. So ist das im Vorfeld auch ein Thema und muss vom Gastgeber akzepiert werden und er muss für Sicherheit garantieren. So standen zum Beispiel in Belgrad seiner Zeit sogar Polizisten erstmals vor Schwulen-Clubs, zur Sicherheit vor den Eingängen, obwohl gerade dort die Polizei immer gegen die Community gearbeitet hat. Ein kleiner Erfolg.
Durch den ESC und unsere Präsenz vor Ort, wird das Thema auch in die Öffentlichkeit gerückt. Ohne den ESC hätte doch in Europa niemals jemand etwas zu der Situation hier gewusst, bzw. ein wenig die Diskussion zu bestimmten Themen eröffnet. Das Land will westlich sein und sich nach Europa orientieren. Und das ist für ein muslimisches Land nicht einfach. Wenn das gelingt, ist ja auch klar, dass genau diese Tendenzen in anderen muslimischen Ländern ebenfalls hoch kochen. Aus meiner Sicht ist das auch die größte Angst vom Iran.
Wir werden mit dem ESC und unserer Anwesenheit vor Ort nicht vieles ändern, aber ein bisschen was wird es ganz sicher bewirken. Und eines ist auch klar, je mehr offen Schwule hier vor Ort sind, die auch gerne kritisch nachfragen, um so mehr stärkt es den Rücken derer, die hier leben und sich vielleicht jetzt noch nicht trauen.


Bernd mit Eldar (Moderator und Vorjahressieger)
Das Schöne am ESC ist die Internationalität. Da bin ich zwar Deutscher, aber in erster Linie Europäer. Man trifft viele Leute genau in dieser Zeit Jahr für Jahr wieder und das aus vielen Ländern. Spanien, Türkei, Israel, Niederlande, Schweden, Dänemark etc ... Und da geht es nicht darum: "Was haste, was biste", sondern das gemeinsame Hobby verbindet. 
So habe ich durch den ESC meine meisten Freunde gefunden, in Deutschland und auch viele gute Bekannte in Europa und darüber hinaus. So kommt zum Beispiel ein guter Freund in jedem Jahr aus New York, der eigentlich Israeli ist, oder heute habe ich mit einem Spanier gesprochen, der in Brasilien lebt und 24 Stunden nach hier unterwegs war. Toll, wir sind ja alle so global!
Die Proben laufen alle reibungslos, kein Wunder, hier ist auch alles in deutscher Hand. Die Aserbaidschaner haben sich alles bei uns gekauft. Die Halle wurde von einer bayerischen Baufirma gebaut und die Sicherheit garantiert auch ein deutsches Unternehmen. Die Show wird von Brainpool poduziert. Das ist die Firma von Stefan Raab, der auch im letzten Jahr die Produktion stellte. Geld spielt hier keine Rolle. Das Land ist reich an Rohstoffen und wird die Kohle fleißig ausgegeben. Der Exportweltmeister Deutschland profitiert hier sicher dieser Tage am meisten!
Die großen Favoriten sind hier Schweden, Italien, Russland und Rumänien. Ich persönlich rechne ja feste mit Schweden. Loreen ist bereits heute in sechs Ländern auf Platz eins der Charts. Da gab es vorher noch nie bei einem Contest. Ich stehe ja eigentlich eher weniger auf die langsamen Songs beim Grand Prix, aber in diesem Jahr finde ich Ott Leplands Song Kuula (Estland) gaaaanz toll. Aber auch die Niederlande mag ich sehr. Da hoffe ich ja auf einen Platz im Finale, denn die Niederlande waren schon seit 2004 nicht mehr im Finale! Die russischen Omas sind wohl einer der spektakulärsten Beiträge - sogar aller Zeiten! Ich denke auch, dass die im Televoting ganz gut abschneiden werden, aber die Jury belohnt ja mehr und mehr musikalische Qualität und das dürfte nicht für Russlands zweiten Sieg in der ESC-Geschichte reichen.
Roman wird aus meiner Sicht auch unter die Top 10 kommen. Das Lied ist zwar eher schwach, aber es gewinnt durch ihn und seien Blick in die Kamera. Da wird es jedem warm ums Herz! Roman, der Bub den alle gerne in den Arm nehmen möchten. Das Brusttatoo ist auch nicht zu sehen, so werden auch die Muttis und Grossmuttis angesprochen. Und mit der Startnummer 20 liegen wir auch gar nicht so schlecht.
Lassen wir uns überraschen!
(Bilder sind von Bernd Ochs gestellt)

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