Die Sorgen der Killer. CrimeStories von Guido Rohm
„Jeder Mensch kann zum Mörder werden“, sagt der ehemalige Ermittler der Münchner Mordkommission Josef Wilfling, der in seinem Ruhestand nun Kriminalromane schreibt. Entscheidend sind die Motive, die situativen Umstände, die einen „normalen unbescholtenen Bürger“ zum Mörder machen können. Der amerikanische Neurowissenschaftler David Eagleman würde dem vielleicht widersprechen. Er geht davon aus, dass jedes Gehirn grundverschieden sei, und dass die Gehirne von Mördern vollkommen anders funktionieren als die „normalen“, weswegen man das Rechtssystem ändere müsse. Daher könne es nur begrenzt gelingen, sich in sie hineinzuversetzen, nachempfinden könne man es vielleicht, aber die Biologie ihrer Gehirne funktioniere ganz anders.
Je ungeheuerlicher die Untat ist, desto ungläubiger reagieren die Menschen, desto faszinierter sind sie und begeben sich auf Spurensuche. Guido Rohm hat nun in seinen CrimeStories „Die Sorgen der Killer“ dreizehn Miniaturen aus der Sicht von „Tätern“ (und „Opfern“) geschrieben, die ungeheuerliche Gedanken zutage fördern und uns vielleicht Erklärungsmodelle für die Taten von Serien- und Massenmördern geben.
„Im Schloss“ handelt von einem alten Nazi-Schergen, der von seiner Frau mit Fragen zu seinen Taten malträtiert wird. Ob er ein Mörder sei, möchte sie wissen. Nein, antwortet er, er sei nur ein „Archivar des Todes“ gewesen, Akten habe er verwaltet, Fotos von KZ-Insassen, die ihrem Tod ins Auge blickten. Er ist wenig einsichtig, doch ihn verfolgen diese Gesichter des Todes, jeden Augenblick. Die Fotos hat er vernichtet, bevor sie den feindlichen Truppen in die Hände fallen konnten. Er war ein Mitläufer, einer der vielen. Und hier können wir auf zwölf schmalen Seiten erahnen, was sich hinter den nüchternen Fassaden dieser Kriegsverbrecher, die wir aus dem Fernsehen kennen, hinter diesen „Bürokraten des Grauens“ verbirgt.
„Offline“ bildet die grauenhafte Welt der Snuff-Videos ab, die Horrorfans aus dem brutalen Film „Hostel“ kennen, junge Frauen werden vor laufender Kamera verstümmelt und umgebracht. Dafür zahlen reiche Männer viel Geld und schauen online zu. Der Ich-Erzähler Aljoscha, dessen Aufgabe es ist, die toten Mädchen wegzuräumen, ist selbst ein Opfer, er wurde als Kind schwer misshandelt. Doch er durchbricht diesen Zyklus der Gewalt in dieser Geschichte, die Guido Rohm mit einer faszinierenden Schnitt-Technik versieht, die die Opfer- und Täterperspektive zusammenbringt.
An den noch brutaleren Film „Irreversibel“ erinnert die Miniatur „!toT“, in der das Opfer Vincent von einer Gruppe Skinheads in einem Park überfallen wird. Die schriftstellerische Leistung Rohms zeigt sich nun darin, dass er diese Geschichte, ähnlich wie im genannten französischen Film, rückwärts, gegen die Zeit, erzählt.
Einen noch spannenderen Kniff verwendet er in der Geschichte „Noch 2 Stunden“, in der er von einem Amoklauf erzählt. Doch werden hier wieder ganz geschickt die Rollen des „Opfers“ und des „Täters“ vertauscht, der Leser wird bis kurz vor Ende der Geschichte irregeführt, die Erwartungshaltung wird zerstört, der Leser bleibt verstört zurück.
Verstörung ist das Wort schlechthin bei dieser Sammlung von Geschichten, die nicht einfach zu lesen sind – und doch faszinierend. Man möchte sich bei jeder einzelnen Seite von „Die Sorgen der Killer“ vor Guido Rohm verneigen, der ins Krimi-Genre gepackt wird, jedoch darin beweist, dass er ein großer Literat ist, ein Stern am deutschen literarischen Himmel – und der Beweis dafür ist, dass E- und U-Literatur zusammengehören können. Es sind keine CrimeStories, es sind Miniaturen, wunderbare Miniaturen. Guido Rohm verknappt seine Sprache, seine Geschichten erscheinen fast wie Skelette, doch er schafft es in wenigen Sätzen mehr zu sagen als manch seiner Kollegen in tausend Sätzen. Manches ist unsagbar, ist nur anzudeuten, und diese Technik beherrscht Guido Rohm wie kein Zweiter.
„Die Sorgen der Killer“. Crime Stories ist im Verlag Kulturmaschinen erschienen, ist 110 Seiten dünn und jeden Cent der 12,80 Euro wert. Fazit: Absolut lesens- und empfehlenswert!
Je ungeheuerlicher die Untat ist, desto ungläubiger reagieren die Menschen, desto faszinierter sind sie und begeben sich auf Spurensuche. Guido Rohm hat nun in seinen CrimeStories „Die Sorgen der Killer“ dreizehn Miniaturen aus der Sicht von „Tätern“ (und „Opfern“) geschrieben, die ungeheuerliche Gedanken zutage fördern und uns vielleicht Erklärungsmodelle für die Taten von Serien- und Massenmördern geben.
„Im Schloss“ handelt von einem alten Nazi-Schergen, der von seiner Frau mit Fragen zu seinen Taten malträtiert wird. Ob er ein Mörder sei, möchte sie wissen. Nein, antwortet er, er sei nur ein „Archivar des Todes“ gewesen, Akten habe er verwaltet, Fotos von KZ-Insassen, die ihrem Tod ins Auge blickten. Er ist wenig einsichtig, doch ihn verfolgen diese Gesichter des Todes, jeden Augenblick. Die Fotos hat er vernichtet, bevor sie den feindlichen Truppen in die Hände fallen konnten. Er war ein Mitläufer, einer der vielen. Und hier können wir auf zwölf schmalen Seiten erahnen, was sich hinter den nüchternen Fassaden dieser Kriegsverbrecher, die wir aus dem Fernsehen kennen, hinter diesen „Bürokraten des Grauens“ verbirgt.
„Offline“ bildet die grauenhafte Welt der Snuff-Videos ab, die Horrorfans aus dem brutalen Film „Hostel“ kennen, junge Frauen werden vor laufender Kamera verstümmelt und umgebracht. Dafür zahlen reiche Männer viel Geld und schauen online zu. Der Ich-Erzähler Aljoscha, dessen Aufgabe es ist, die toten Mädchen wegzuräumen, ist selbst ein Opfer, er wurde als Kind schwer misshandelt. Doch er durchbricht diesen Zyklus der Gewalt in dieser Geschichte, die Guido Rohm mit einer faszinierenden Schnitt-Technik versieht, die die Opfer- und Täterperspektive zusammenbringt.
An den noch brutaleren Film „Irreversibel“ erinnert die Miniatur „!toT“, in der das Opfer Vincent von einer Gruppe Skinheads in einem Park überfallen wird. Die schriftstellerische Leistung Rohms zeigt sich nun darin, dass er diese Geschichte, ähnlich wie im genannten französischen Film, rückwärts, gegen die Zeit, erzählt.
Einen noch spannenderen Kniff verwendet er in der Geschichte „Noch 2 Stunden“, in der er von einem Amoklauf erzählt. Doch werden hier wieder ganz geschickt die Rollen des „Opfers“ und des „Täters“ vertauscht, der Leser wird bis kurz vor Ende der Geschichte irregeführt, die Erwartungshaltung wird zerstört, der Leser bleibt verstört zurück.
Verstörung ist das Wort schlechthin bei dieser Sammlung von Geschichten, die nicht einfach zu lesen sind – und doch faszinierend. Man möchte sich bei jeder einzelnen Seite von „Die Sorgen der Killer“ vor Guido Rohm verneigen, der ins Krimi-Genre gepackt wird, jedoch darin beweist, dass er ein großer Literat ist, ein Stern am deutschen literarischen Himmel – und der Beweis dafür ist, dass E- und U-Literatur zusammengehören können. Es sind keine CrimeStories, es sind Miniaturen, wunderbare Miniaturen. Guido Rohm verknappt seine Sprache, seine Geschichten erscheinen fast wie Skelette, doch er schafft es in wenigen Sätzen mehr zu sagen als manch seiner Kollegen in tausend Sätzen. Manches ist unsagbar, ist nur anzudeuten, und diese Technik beherrscht Guido Rohm wie kein Zweiter.
„Die Sorgen der Killer“. Crime Stories ist im Verlag Kulturmaschinen erschienen, ist 110 Seiten dünn und jeden Cent der 12,80 Euro wert. Fazit: Absolut lesens- und empfehlenswert!
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