Mein Bukowski 2/3

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Wir waren beide noch recht jung, damit meine ich, dass wir noch nicht volljährig waren, anders als jetzt, da war er im Gymnasium eine Stufe über mir. Wir beide waren intellektuell und in diesen Kreisen, in denen man das pflegte, angehende Künstler, man kennt das ja. Doch wir unterschieden uns in einem Punkt: während ich mich durch Albert Camus, Thornton Wilder und Thomas Mann quälte, las er Henry Miller, Jack Kerouac und eben Charles Bukowski. Ich konnte damit nicht viel anfangen, schon gar nicht, nachdem er mir William S. Burroughs vorschlug, die Nova-Trilogie nämlich, und ich so gar nichts verstanden habe, als läse ich ein Buch auf Chinesisch. Wir trafen uns eines Abends am Rhein, mit seiner damaligen Freundin Mo, ich hatte meine beste Freundin Lotta dabei, wir unterhielten uns stundenlang über Filme und Bücher, tranken Rotwein aus der Flasche, aßen Paprika-Chips und schauten gen Straßburg, ein fremdes Land, uns so nah. Thees war schon einigermaßen angetrunken, im Wein liegt die Wahrheit, er begann plötzlich von Bukowski zu schwärmen, am besten lesen, wenn man einen guten Whisky neben sich stehen hat, sagte er, und ich dachte mir: Ey, du Sack, du bist keine Achtzehn, weißt wahrscheinlich gar nicht, welche Whiskys überhaupt gut sind, und... und das schlimmste: du machst gerade so, als könntest du das verstehen, was Bukowski geschrieben hat. Ich zweifelte sehr daran und glaubte nicht daran, dass es der Neid oder so etwas war, schließlich müsste ich kaum neidisch auf einen hässlichen rothaarigen Zwerg sein. So beschloss ich vorerst Bukowski auszulassen, denn durch Thees´ Beschreibungen: „Haha, seine Figuren sind auf eine Weise die absoluten Loser, versoffene Typen, die nichts auf die Reihe kriegen, andererseits bekommen sie die geilsten Tussen ab, yeah!“ wurde mir die Lektüre nicht weniger verdächtig. Nicht nur ich schaute in diesem Moment leicht genervt, Mo und Lotta verbündeten sich gegen ihn und machten die nächste halbe Stunde den kleinen Zwergaffen fertig. Der lächelte nur selig, allerdings weiß ich bis heute nicht, ob es ihn angemacht hat, von zwei hübschen „Schnecken“ gedisst zu werden oder ob er gerade an Szenen aus Buk´s Büchern gedacht hat. 
Thees. Damals. Doch er blieb der Thees von damals und er blieb auch der Bukowski-Fan, nur dass er mich anders versuchte zu ködern. Wir wohnten mittlerweile in verschiedenen Städten und er war zu Besuch bei mir. Wie es dazu kam, war für mich etwas unerklärlich, denn so eng war unser Verhältnis gar nicht, zumindest nicht so eng, um einen vier Tage währenden Besuch in einer zu kleinen Wohnung zu rechtfertigen. Doch es war so wie es war. Und Thees hatte sich Munition mitgebracht, in Form von Filmen. Er hatte „Die Charles-Bukowski-Tapes“, „Ganz normal verrückt“ und „Barfly“ auf Videokassette dabei, ganz viel guten Whisky, den er von seinem Vater gesponsert bekommen hatte, ich hatte einige Sixpacks im WG-Kühlschrank gehortet und wir hatten Zeit, wir zwei nichtsnutzigen Studenten in den Semesterferien. Die ersten zwei Filme ließen mich kalt, aber „Barfly“ liebte ich, wir schauten ihn als dritten Film in der ersten Nacht seines Besuchs an, ungefähr zwischen 3 und 5 Uhr nachts – oder morgens: wie man möchte. Zunächst dachte ich, es liege am Alkohol, aber viel viel später schaute ich diesen Film nochmals ohne Thees an – und liebte ihn wieder und immer noch. Aber zum ersten Schauen: wahrscheinlich lag es an der Intensität der Darstellung, Mickey Rourke auf der Höhe seines Könnens als Henry Chinaski, die wunderbare Faye Dunaway als Wanda Wilcox, ich war Hin und Weg, ich war infiziert. Mich faszinierte dieser Film, diese Hauptfiguren – gleichzeitig stieß es mich ab. Ein paar Tage lebte ich in dieser Welt, gemeinsam mit Thees. Tagsüber schrieben wir an DEM Roman, tranken dabei die Flaschen Whisky aus, die wirklich gut waren, die Sixpacks ebenso, fanden uns ganz wunderbar und talentiert, und wenn wir nicht mehr schreiben konnten, klapperten wir die Spelunken in meinem Kiez ab, nicht umsonst wohnte ich in der Bahnhofsgegend mit vielen Etablissements, die man nicht für Dates aussuchen sollte. Wir trafen auf kuriose Gestalten, die wir in unserem Roman beschreiben wollten und doch nicht taten, wir redeten von unserem kommenden Ruhm und wir freuten uns sehr am Leben zu sein. 

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