Im Namen des Kreuzes. Schwarz ermittelt von Peter Probst
In
der Spiegel Online gibt es heute einen Artikel über den katholischen
Missbrauchsbeauftragten Stephan Ackermann. Obwohl er angeblich eine
„Null-Toleranz-Linie“ in dieser Funktion verfolgt, schont er in seinem Bistum
Trier sieben als pädophil aufgefallene Pfarrer. Einer von ihnen soll sexuelle
Beziehungen zu einem Schüler gehabt haben, zwei weitere sind wegen
Besitzes von Kinderpornografie verurteilt, sagen die Quellen von Spiegel
Online. Die katholische Kirche scheint, so wird dies in dem Artikel angedeutet,
eher daran interessiert zu sein, möglichst gut dazustehen. Der Schutz der Opfer
und vor allem von potenziellen Opfern steht wohl nicht an oberster Stelle. Dabei
ist die Gefahr, die von diesen Männern ausgeht, immens hoch. Mittlerweile sind
einige Fälle von jahzehntelangem sexuellen und psychischen Missbrauch von
Kindern und Jugendlichen in großen katholischen Institutionen bekannt geworden.
Das Canisius Kolleg in Berlin oder die Odenwaldschule hier in Hessen sind da zu
nennen, sie sind aber wohl nur die Spitze des Eisbergs.
Dieses
Themas hat sich nun Peter Probst in seinem Roman „Im Namen des Kreuzes“
angenommen, der dritte Roman in der Privatermittler Schwarz-Serie. Nach dem
tragischen Selbstmord des jungen Priesteramtskandidaten Matthias wird der katholische
Pfarrer Heimeran erhängt aufgefunden. Ein Zusammenhang zwischen den beiden
Todesfällen liegt nahe - aber welcher? Wie eng war die Beziehung zwischen dem gerade
bei Jugendlichen beliebten Geistlichen und dem vaterlos aufgewachsenen Jungen?
War Heimerans Tod womöglich gar kein Selbstmord? Widerstrebend nimmt Anton
Schwarz Ermittlungen auf und gerät in einen Sumpf aus Machtmissbrauch,
sexueller Gewalt und Vertuschung, der ihn auch an seine persönlichen Grenzen
bringt.
Der
Privatermittler Anton „Toni“ Schwarz ist ein sehr sympathischer Zeitgenosse.
Immer ein bisschen am Granteln, ein Morgenmuffel, einer, der auch gerne einmal
faul ist, sicherlich ein bisschen empfindlich und mit dem Verkehr und der
ewigen Gentrifizierung in München hat er es auch nicht so. In den ersten zwei
Teilen der Krimireihe wurde er damit konfrontiert, dass seine Mutter eine Jüdin
ist, was er jahrzehntelang nicht wusste, aber vor allem wurde er auch von
seiner geliebten Frau verlassen. Und in diesem dritten Teil muss er sich seiner
Homophobie stellen, die einen tieferen Grund hat, wie wir später erfahren. Doch
Eva Schwarz, die er bei seinem ersten Fall in „Blinde Flecken“ kennenlernte,
die 25 Jahre jünger als er ist und außerdem im Rollstuhl sitzt, treibt ihn immer
wieder an. So wird er mit einer Welt konfrontiert, die ihm nicht ganz geheuer
ist. Und wie sich bald zeigt: völlig zu Recht nicht.
Es
gibt viele homosexuelle Männer in der Kirche, das ist nicht nur ein Gerücht,
sondern mittlerweile vielfach belegt und von offizieller Seite zugegeben. Wieso
dies so ist, könnte man sich fragen: Weil die Kirche ein Männerbund ist
vielleicht? Weil man in ihrem Schoß häufig Gelegenheiten bekommt, seine
Sexualität geheim und unbeobachtet auszuleben? Weil das Zölibat einem die
Möglichkeit gibt, einen bestimmten Schutzraum zu erhalten, weil keine Fragen
über das Heiraten, eine Freundin oder überhaupt Sexualität aufkommen? Oder begünstigt dieses ständige
Unter-Männer-sein die eigene Homosexualität? geht einem plötzlich ein Licht auf
und es wird einem bewusst, dass man diese Gefühle hat, wenn man sich mit
anderen austauscht? Der Pfarrer Heimeran war schwul, dieser Verdacht kommt Anton
Schwarz ganz schnell, doch ist er auch pädophil? Hat er sich seines Zöglings
Matthias auf diese Weise angenommen, ihn verführt? Und was hat der ebenfalls
schwule Pastoralreferent Weber mit der ganzen Situation zu tun? Sehr bald
verschieben sich die Rollen, vermeintliche Täter werden ganz schnell erkennbar
zu Opfern in einer Geschichte, die sehr viel tragischere Hintergründe hat...
Der Autor Peter Probst |
Der
Autor Peter Probst geht mit seinen Figuren und den aufgeworfenen Themen sehr
sensibel um. Nicht nur, dass er offensichtlich gut recherchiert und mit vielen
Betroffenen geredet hat, er schafft es immer wieder die Kontrolle über den
Stoff zu behalten. Kein leichtes Unterfangen, wenn man die Vermischung verschiedener
Problematiken bedenkt. Da ist Homosexualität in der Kirche einerseits,
Pädophilie und sexuelle Gewalterfahrung in einer Machthierarchie-Konstellation
andererseits. Gerne wird dies ja in einen Topf geworfen. Da kann sich Peter
Probst sehr gut abgrenzen. Seine Kriminalromane sind gesellschaftskritisch und
brechen stets eine Lanze für mehr Zivilcourage. Seine Figuren sind
charakterstark, mutig und man schließt sie sofort in sein Herz. Jahrelang hat
er Drehbücher geschrieben, unter anderem zur Detektivserie „Der Fahnder“. Auch
der Roman „Im Namen des Kreuzes“ bietet sich für eine spannende Verfilmung an.
Seine Dialoge sind authentisch und spritzig, vor allem hat er ein sehr gutes
Gespür für Stimmungen und Konflikte, die er sehr beredt in Szene setzt. Man
fühlt mit den Personen mit, fiebert mit ihnen, wünscht ihnen, dass alles gut
ausgeht. Mehr Emotion geht nicht in einem Roman.
Im
Namen des Kreuzes von Peter Probst ist ein sehr spannender Roman über ein
ebenso aktuelles wie hochsensibles Thema, welches im März 2012 beim Deutschen
Taschenbuch Verlag erschienen ist. Es umfasst 256 Seiten und ist für 8,95 Euro
erhältlich.
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