Your Pleasure is our Business 1
1. Von gesellschaftlichen Verpflichtungen...
"Your Pleasure is our Business". Ihr Vergnügen ist unser Geschäft... Was hat das Geschäfte machen mit dem Schreiben zu tun, könnte man nun fragen. Um vom Schreiben zu leben, benötigt ein Autor Leser*Innen, die Leser*innen sind also seine Kund*Innen. Das Autor*In-Leser*In-Verhältnis kann man in diesem Sinne als Geschäftsbeziehung, als Dienstleister*In-Kund*In-Beziehung auffassen. Ich kann die Einwände hören, die prompt kommen werden: Wir sind Künstler*Innen, wir schaffen Kunst, wir möchten selbstverständlich Leser*Innen, aber wir schreiben nicht, was ihnen gefällt, sondern das, was in uns drin ist, was wir der Welt geben können. Doch das ist nicht gemeint. Schaut man in die Geschichte der Kunst, dann entdeckt man, dass die größten Künstler*Innen vergangener Zeit ihre bekanntesten Kunstwerke, die bis heute noch Bestand haben, als Auftragsmalerei anfertigten. Die Fresken in der Sixtinischen Kapelle zum Beispiel, malte Michelangelo auf Drängen des Papstes Julius II. "Die Nachtwache" fertigte Rembrandt van Rijn 1642 im Auftrag der Amsterdamer Schützengilde. Ludwig XIV. gar machte Kunst zu Politik und führte ein bis dahin noch nie dagewesenes Mäzenatentum mit dem Ziel die Kunstlandschaft seine Reiches zu beeinflussen und um sie im Interesse königlicher Politik zu instrumentalisieren. Er förderte in der Literatur Racine, Boileau, La Fontaine, in der Musik z.B. Charpentier, in der Kunst Le Brun oder auch Rigaud. Auch ein Beethoven, ein Haydn oder ein Schiller konnten ihre Kunst nur durch großzügige Mäzene schaffen, die für ihren Lebensunterhalt sorgten. Shakespeare schrieb seine berühmteste Komödie "Ein Sommernachtstraum" für eine Hochzeitsfeier eines Fürsten. Künstler, die von Fürsten und Königen gefördert wurden, hatten selbstverständlich gesellschaftliche Verpflichtungen einzugehen, die Mäzene wollten ins beste Licht und vor allem zufrieden gestellt werden, die Künstler mussten viel Zeit und Nerven in dieses Tun stecken. Wahrscheinlich fluchten sie genauso wie heute "angeblich traditionelle" Autoren darüber, dass sie keine Zeit zum Schreiben finden.
Doch nur wenige Künstler*Innen, zumal wenige Autor*Innen, schafften es damals in diese "luxuriöse" Situation zu gelangen, sich ernähren zu können und sich trotzdem Vollzeit ihrer Kunst zu widmen. Das hat sich auch durch die "so vorbildliche" Verlagslandschaft im 20.Jahrhundert kaum verändert. Schon zu Schillers Zeiten waren professionelle Autor*Innen, die ihr Schreiben finanzieren konnten, eine Minderheit, auch heute noch reden Expert*Innen von 5 % Autor*Innen, die dies schaffen. Im Grunde genommen ist vieles gleich geblieben und hat sich trotzdem durch die Digitalisierung verändert. Das heutige "Mäzenatentum" z.B. ist sehr viel demokratischer geworden. Hat früher ein Fürst die Künstler entlohnt, können Künstler*Innen heute durch ein "Crowdfunding" zu Geld kommen, um ihre Werke zu realisieren. Heute können viele Menschen gemeinsam zu einem Mäzen werden. Ob sich dadurch die gesellschaftlichen Verpflichtungen der Autor*Innen quantitativ vermehren, ist fraglich: Auf der einen Seite die Feierlichkeiten, Teesalons und dergleichen, auf der anderen Seite Facebook, Twitter, Google + und co., um die Leute zu erreichen, die die Kunst ermöglichen. Es sei auch dahingestellt, wo es zu mehr gefühlter "Freiheit" für die Künstler*Innen kommt. Fakt ist, dass der Künstler / die Künstlerin damals wie heute Menschen zu "gefallen" hat, nicht nur der "Content" muss stimmen, sondern auch die sozialen Gepflogenheiten müssen eingehalten werden. Sicher gab es schon immer den einsamen Dichter, aber der ist schon zu früheren Zeiten verhungert, wenn er sich nicht anders verdingt hat. Die Autor*Innen, die überleben wollten, mussten sich schon immer vermarkten, nur war es früher offline und nicht online. Autor*Innen bei einem Publikumsverlag wurde auf Verlags-Empfänge, Feiern und Symposien eingeladen.
Dieses "Ich habe keine Zeit zum Schreiben" gab es also schon, seitdem Autor*Innen erfolgreich, sprich mit Preisen, Stipendien und Gehaltsvorschüssen ihr Überleben sichern konnten. Doch während früher der Kontakt zu Autor*Innen Akademiker*Innen und Honoratioren der Stadt bzw. vormals dem Hofstaat, vorbehalten war, ändert sich dies nun in der digitalen Welt. Leser*Innen aus Fleisch und Blut, Hänschen Müller und Lieschen Meier, können nun direkt mit den Autor*Innen über die sozialen Netzwerke kommunizieren. Das kostet Zeit. Aber wie bereits ausgeführt, kostete die Schriftsteller*Innen die Interaktion mit ihrem Publikum (egal, wie dieses aussah) immer schon Zeit, gut investierte Zeit. "Crowdfunding" ist übrigens, wenn man es genau nimmt, auch eine Art Subskriptionsverfahren, das z.B. Klopstock im 18.Jahrhundert nutzte, um Bücher zu veröffentlichen. Bei allem Lamentieren der Verlage und Autor*Innen: Egal, in welche Richtung wir denken, wir finden Analogien in der Vergangenheit, und es bleibt Fakt, dass man schon immer Menschen brauchte, die bereit waren, den Künstler*Innen die Möglichkeit zu geben, ihre Werke zu erschaffen, aber vor allem auch, dass es Menschen benötigte, die diese Kunst "teilten", schätzten und weitergaben, also den Ruhm der Künstler*Innen überhaupt erst aufbauten. Die gleiche Voraussetzung des Teilens wird nun durch das digitale Zeitalter vervielfacht. Ob Facebook, Google+, Twitter, der eigene Blog, das Crowdfunding-Projekt, Literatur-Foren oder Bücher-Plattformen, überall müssen sich Autor*Innen darstellen, ihre Werke anpreisen, sich selbst gar (?), um eine Leserschaft, sprich: einen Kundenstamm, aufzubauen. Und dabei gilt das Prinzip: Je mehr Inhalte eines Autoren / einer Autorin geteilt, weiterverbreitet, verkauft werden, desto besser ist dies für ihn.
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