Fortsetzungsroman: Moody Blue 21
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12/fortsetzungsroman-moody-blue-20.html
Levent rief mich an. Ich fragte ihn, wo er gewesen sei. Er wollte nichts sagen. Wie geheimnisvoll! Irgendwo musste er sich ja herumgetrieben haben, vielleicht in München. Na? fragte ich ihn. Er verneinte, ich glaubte es ihm nicht. Was ist mit deiner Freundin, Levent? Er sagte, dass sie abends zu ihm komme, da müsse er mit ihr Klartext reden; ob er mich danach besuchen könne, wollte er wissen. Natürlich. Er entschuldigte sich für seinen Betrug mit meinem Roman, ich lachte ihn aus. Alles in allem war es ein sehr zähes Telefonat, ich telefoniere sowieso nicht gerne. Levent hatte grundsätzlich Angst abgehört zu werden, erzählte nichts Verwerfliches und Vertrauliches am Telefon, und ich brauchte ein sichtbares Gegenüber, um mich anständig unterhalten zu können. Ich redete oft nur Unsinn oder fragte völlig sinnlose Dinge, hinterher wusste ich entweder gar nichts - oder alles, was ich nicht wissen wollte. Zumindest kam es mir immer so vor. Ein weiteres Problem war, dass ich große Schwierigkeiten hatte, Leute anzurufen, die ich nicht kenne, oder Respektspersonen, Behörden. Es macht mich schwitzen, ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll/ muss.
Nach dem Telefonat aßen wir zu Mittag und dann ging Alejandro, er musste einige Dinge in der Stadt erledigen. Ich war allein und glücklich, ein bisschen lesen zu dürfen. Nach einer Weile bekam ich Lust zu schreiben. Ich setzte mich hinaus auf meinen Balkon, im Recorder steckte eine meiner Lieblingskassetten, die ich im Hintergrund laufen ließ. Anfangs flossen die Gedanken auf das Papier, mit der Zeit fiel es mir zunehmend schwerer. Die Sätze hörten sich abgehackt und kindlich an. Warum schaffte ich es nicht, mehrere Seiten konsequent, stilvoll und mit gutem Rhythmus zu schreiben? Das Problem an sich war, dass ich zwar stundenlang erzählen kann, wenn ich in Form war, sogar richtig interessante und spannende Dinge, die Leute fanden mich geistreich und klug, sagten, hey, warum schreibst du keine Romane? Ich schmiss den Block weg, konzentrierte mich auf die Sonnenstrahlen, die meinen Körper angenehm erhitzten, ich liebte diese Wärme, die andere Menschen fertig macht, ich liebte es, in der Sonne zu schmoren. Südländer. Wie mein Engelchen, das ich so liebte; es war wunderbar morgens neben ihm aufzuwachen, mit ihm zu duschen, mit ihm zu essen, mit ihm über alles zu reden und bald würde dies zur Gewohnheit werden, dann lebte er bei mir in Karlsruhe, tritt seine Zivistelle an. Vertriebe mir die Langeweile während meines Studiums, das im Grunde genommen nur ein erster Schritt zu meiner Zukunft sein sollte. Ich konnte mir nicht vorstellen, länger als zwei bis drei Jahre Lehrer an einer Hauptschule zu bleiben. Ich würde weiterstudieren, Schulpsychologie vielleicht, danach eine Dozentenlaufbahn anstreben, Professor werden.
Ich konnte Tobias auf der Straße entdecken, hatte er mich gesehen? Nein, wahrscheinlich nicht, man konnte kaum etwas zwischen den vielen dichten Stäben sehen, abgesehen davon, schaute man selten nach oben, bevor man irgendwo klingelte. Ich musste schnell den Recorder ausschalten und mich verstecken, das Klingeln ignorieren, denn ich hatte keine Lust auf ihn, er sollte mich nicht aus dem Gleichgewicht bringen, ich wollte weiterschreiben, es wenigstens probieren. Was wollte er von mir? Steff war da, sollte er zu ihr gehen. Wollte er schon wieder Sex mit mir machen? Er klingelte zehn Mal, dann ging er endlich. Zum Glück.
Doch meine schriftstellerischen Versuche blieben erfolglos, ich fand nicht die richtigen Worte, wie so oft, ach, wie schön wäre es, den Rhythmus meiner griechischen Musik einzufangen. Jalla, jalla. Alles sinnlos. Egal. Dann tanzte ich eben zu „Oye mi canto“. Sang mit. Erfreute mich am Leben. Mir kam nun die Idee mit meinem Schätzchen, der sich in der Schule als Theaterschauspieler übte, einen kleinen Videofilm zu drehen. Ich hatte bereits einige Drehbücher geschrieben, ich wusste nicht, ob sie etwas taugten, ich zumindest fand sie komisch. Bestimmt hätte Alejandro weniger Scheu vor der Videokamera zu spielen als Levent, der zwar bei Theatervorstellungen ausgebufft war, aber da sehr große Probleme hatte. Wieder setzte ich mich auf den Balkon, nahm den Block zur Hand und meinen Kuli und versuchte mich. Vertieft wie ich war, bemerkte ich nicht, dass Alejandro mittlerweile gekommen war und neben mir stand, er klopfte auf meine Schulter, ich schreckte hoch: Du bist es. Ich wäre früher gekommen, sagte er, aber ich traf Christian und Tobi, die auf dem Weg zu dir waren, ich behauptete, du seiest nicht da, und schlug eine andere Rich-tung ein, damit sie nicht merken, dass ich lüge; haben sie trotzdem bei dir vorbeigeschaut? Nein, sagte ich, Tobi hat es vor einiger Zeit schon allein probiert, ich habe ihm aber nicht geöffnet.
Plötzlich klingelte es. Oh, nein, flüsterte mein Schatz, was machen wir jetzt? Nichts, meinte ich, wir bleiben still hier sitzen. Nach einigem Klingeln stellten sie sich unter den Balkon, schrieen: Wir wissen, dass ihr da seid, lasst uns herein. Keine Regung von uns. Wir hörten, wie Tobi sagte, dass er die Tür aufbrechen könne, Christian hinderte ihn daran, sagte, wenn uns jemand sieht... gehen wir, man kann niemanden zu seinem Glück zwingen.
Alejandro und ich seufzten beide erleichtert auf. Wir rissen uns nicht um die Jungs, konnten uns nur vorstellen, dass ihr Besuch ein sexuelles Motiv hatte und auf dieses wollten wir verzichten, wir waren vom letzen Abend genug bedient. Irgendwie schien uns alles so merkwürdig, mit Tobi stimmte etwas nicht.
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Levent rief mich an. Ich fragte ihn, wo er gewesen sei. Er wollte nichts sagen. Wie geheimnisvoll! Irgendwo musste er sich ja herumgetrieben haben, vielleicht in München. Na? fragte ich ihn. Er verneinte, ich glaubte es ihm nicht. Was ist mit deiner Freundin, Levent? Er sagte, dass sie abends zu ihm komme, da müsse er mit ihr Klartext reden; ob er mich danach besuchen könne, wollte er wissen. Natürlich. Er entschuldigte sich für seinen Betrug mit meinem Roman, ich lachte ihn aus. Alles in allem war es ein sehr zähes Telefonat, ich telefoniere sowieso nicht gerne. Levent hatte grundsätzlich Angst abgehört zu werden, erzählte nichts Verwerfliches und Vertrauliches am Telefon, und ich brauchte ein sichtbares Gegenüber, um mich anständig unterhalten zu können. Ich redete oft nur Unsinn oder fragte völlig sinnlose Dinge, hinterher wusste ich entweder gar nichts - oder alles, was ich nicht wissen wollte. Zumindest kam es mir immer so vor. Ein weiteres Problem war, dass ich große Schwierigkeiten hatte, Leute anzurufen, die ich nicht kenne, oder Respektspersonen, Behörden. Es macht mich schwitzen, ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll/ muss.
Nach dem Telefonat aßen wir zu Mittag und dann ging Alejandro, er musste einige Dinge in der Stadt erledigen. Ich war allein und glücklich, ein bisschen lesen zu dürfen. Nach einer Weile bekam ich Lust zu schreiben. Ich setzte mich hinaus auf meinen Balkon, im Recorder steckte eine meiner Lieblingskassetten, die ich im Hintergrund laufen ließ. Anfangs flossen die Gedanken auf das Papier, mit der Zeit fiel es mir zunehmend schwerer. Die Sätze hörten sich abgehackt und kindlich an. Warum schaffte ich es nicht, mehrere Seiten konsequent, stilvoll und mit gutem Rhythmus zu schreiben? Das Problem an sich war, dass ich zwar stundenlang erzählen kann, wenn ich in Form war, sogar richtig interessante und spannende Dinge, die Leute fanden mich geistreich und klug, sagten, hey, warum schreibst du keine Romane? Ich schmiss den Block weg, konzentrierte mich auf die Sonnenstrahlen, die meinen Körper angenehm erhitzten, ich liebte diese Wärme, die andere Menschen fertig macht, ich liebte es, in der Sonne zu schmoren. Südländer. Wie mein Engelchen, das ich so liebte; es war wunderbar morgens neben ihm aufzuwachen, mit ihm zu duschen, mit ihm zu essen, mit ihm über alles zu reden und bald würde dies zur Gewohnheit werden, dann lebte er bei mir in Karlsruhe, tritt seine Zivistelle an. Vertriebe mir die Langeweile während meines Studiums, das im Grunde genommen nur ein erster Schritt zu meiner Zukunft sein sollte. Ich konnte mir nicht vorstellen, länger als zwei bis drei Jahre Lehrer an einer Hauptschule zu bleiben. Ich würde weiterstudieren, Schulpsychologie vielleicht, danach eine Dozentenlaufbahn anstreben, Professor werden.
Ich konnte Tobias auf der Straße entdecken, hatte er mich gesehen? Nein, wahrscheinlich nicht, man konnte kaum etwas zwischen den vielen dichten Stäben sehen, abgesehen davon, schaute man selten nach oben, bevor man irgendwo klingelte. Ich musste schnell den Recorder ausschalten und mich verstecken, das Klingeln ignorieren, denn ich hatte keine Lust auf ihn, er sollte mich nicht aus dem Gleichgewicht bringen, ich wollte weiterschreiben, es wenigstens probieren. Was wollte er von mir? Steff war da, sollte er zu ihr gehen. Wollte er schon wieder Sex mit mir machen? Er klingelte zehn Mal, dann ging er endlich. Zum Glück.
Doch meine schriftstellerischen Versuche blieben erfolglos, ich fand nicht die richtigen Worte, wie so oft, ach, wie schön wäre es, den Rhythmus meiner griechischen Musik einzufangen. Jalla, jalla. Alles sinnlos. Egal. Dann tanzte ich eben zu „Oye mi canto“. Sang mit. Erfreute mich am Leben. Mir kam nun die Idee mit meinem Schätzchen, der sich in der Schule als Theaterschauspieler übte, einen kleinen Videofilm zu drehen. Ich hatte bereits einige Drehbücher geschrieben, ich wusste nicht, ob sie etwas taugten, ich zumindest fand sie komisch. Bestimmt hätte Alejandro weniger Scheu vor der Videokamera zu spielen als Levent, der zwar bei Theatervorstellungen ausgebufft war, aber da sehr große Probleme hatte. Wieder setzte ich mich auf den Balkon, nahm den Block zur Hand und meinen Kuli und versuchte mich. Vertieft wie ich war, bemerkte ich nicht, dass Alejandro mittlerweile gekommen war und neben mir stand, er klopfte auf meine Schulter, ich schreckte hoch: Du bist es. Ich wäre früher gekommen, sagte er, aber ich traf Christian und Tobi, die auf dem Weg zu dir waren, ich behauptete, du seiest nicht da, und schlug eine andere Rich-tung ein, damit sie nicht merken, dass ich lüge; haben sie trotzdem bei dir vorbeigeschaut? Nein, sagte ich, Tobi hat es vor einiger Zeit schon allein probiert, ich habe ihm aber nicht geöffnet.
Plötzlich klingelte es. Oh, nein, flüsterte mein Schatz, was machen wir jetzt? Nichts, meinte ich, wir bleiben still hier sitzen. Nach einigem Klingeln stellten sie sich unter den Balkon, schrieen: Wir wissen, dass ihr da seid, lasst uns herein. Keine Regung von uns. Wir hörten, wie Tobi sagte, dass er die Tür aufbrechen könne, Christian hinderte ihn daran, sagte, wenn uns jemand sieht... gehen wir, man kann niemanden zu seinem Glück zwingen.
Alejandro und ich seufzten beide erleichtert auf. Wir rissen uns nicht um die Jungs, konnten uns nur vorstellen, dass ihr Besuch ein sexuelles Motiv hatte und auf dieses wollten wir verzichten, wir waren vom letzen Abend genug bedient. Irgendwie schien uns alles so merkwürdig, mit Tobi stimmte etwas nicht.
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