Der dichte Fürst - Warum so altmodische Lyrik?
Warum also Lyrik, gerade heute und dann auch noch so altmodisch?
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Obwohl meine Gedichte Reimschemata folgen oder an Sonette
angelehnt sind, sind sie selten kompliziert. Die Metaphern sind bekannt, weil
sie wahr sind. Ich gebe meiner Lyrik zwar ein altmodisches Gewand, lasse sie
aber selten überfrachtet erscheinen, weil die Worte meist genau das meinen, was
sie sagen. Mir gefällt der Anachronismus, weil mir moderne Lyrik oft noch bemühter
klingt als meine Reime. Und wenn es um ein lyrisches Prinzip geht, kann die
Lyrik nicht nach fragmentarischer Prosa mit artifizieller Sperrigkeit klingen,
sondern muss einen sanften Flow haben, einen Rhythmus, der das Lesen erleichtert. Viele meiner Leser sagen mir, dass sie die Gedichte ihren
Partnern, Freunden und auch sich selbst vorlesen. Dafür sind meine Gedichte da,
zum laut lesen. Wenn meine Worte in anderen Mündern artikuliert werden, können
sie erst ihre Kraft entfalten. Denn die Kraft liegt im Leser.
Wie schreibst Du Deine Gedichte? Unter welchen Voraussetzungen
schreibst Du? Was inspiriert dich?
Es sind verschiedene Situationen. Einen Gedichtband habe ich auf
Reisen geschrieben, im Südpazifik, Ozeanien und Asien. Da ging es vor allem um
das Vermissen von Personen, die mir nah in der Heimat sind. (z.B. Nach dem
Telefonat)
Manche Gedichte entstehen auch als Assoziationen zu Bildern aus
dem 19. Jahrhundert. (z.B. „Seltsam“)
Doch die meisten Gedichte unter dem alter ego Der dichte Fürst
entstehen nachts. Ich habe viele Jahre am Tresen gearbeitet, die Gäste
beobachtet, geraucht, getrunken, dabei Popmusik gehört und dabei einen Großteil
meiner Texte geschrieben. Ich bin also in einer lauten, schnellen Situation, in
die ich die Sehnsucht durch meine Worte hineinwebe. Ich schreibe meist auf
Barzetteln oder ins Notizbuch. Deswegen haben auch alle handschriftlichen
Notizen braune Flecken. Nicht vom Kaffee, sondern vom Jägermeister.
Manchmal bin ich auch auf den Tresen gesprungen, die DJane hat
Klaviermusik aufgelegt und ich habe dazu die Gedichte vorgetragen. Danach
wieder hinter den Tresen und Barkeeper sein. Dadurch kam ich mit vielen ins
Gespräch und die Menschen wollten oft wissen, wie ich schreibe und sie wollten
mir erzählen, was sie bewegt. Also habe ich Gedichte für sie geschrieben. Mein
Gegenüber hat mir dann drei Worte genannt, und damit habe ich gearbeitet. Die
wenigsten davon habe ich allerdings, weil ich sie den Leuten mitgegeben habe.
Es waren ja schließlich ihre Gedanken.
Ist Deine Lyrik also autobiographisch?
Natürlich Jein! Zunächst möchte ich mit vier Zeilen aus dem
Prolog meines zweiten Gedichtbandes „Mir ist als seh ich deine Sehnsucht“
antworten:
Suche nicht in den Gedichten
Nach deinem Namen oder uns,
Dichtung ist zwar Wahrheit
Doch mein Leben keine Kunst.
Auf der anderen Seite habe ich mir das Logo des dichten Fürsten
auf den Schreibarm tätowieren lassen. Eine Feder mit einer Krone darauf.
Natürlich kommt jedes Wort aus meiner Feder, aber Tinte finde ich überall.
NACH DEM
TELEFONAT
Worte
können keine Hände sein
Die auf
durstigen Schultern liegen
Worte
können nicht dem müden
Kopf
durch die weinenden Haare fahren
Die ein
Leben erzählen
Die
meinen Händen fehlen
Worte
sind nicht warm
Kein
Gedichtblick
Kein
Liebeskuss auf den Bauch
Kein
Lächeln das
Durch den
Staub meiner Seele scheint.
Nur
Worte
Nach dem
Telefonat
Legst du
den Hörer wie eine
Waage auf
die Gabel
Zu sehen
wessen Herz
Schwerer
wiegt
SELTSAM
frei nach „Riesengebirgslandschaft mit aufsteigendem Nebel“,
Caspar David Friedrich 1819/20
Auch was wir behaupten zu
Wissen, wissen wir nicht.
Sollte ich die Seele
In Bilder sprechen müssen
Wählte ich
Den Eindruck der Gebirge
Bei aufsteigendem Nebel
Die Tannen die dem geröllnen
Boden wie Gedanken entwachsen
Kann ich erahnen
Doch die Nebel verbannen
was sie sagen
Die Nadeln unterscheide ich nicht
Unsre Liebe liegt gefangen
Im Schleier dunkelluftiger Bahnen
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