Tanger


"Naked Lunch" wurde 1991 von David Cronenberg verfilmt: 1953 ahmt der Kammerjäger William "Bill" Lee mit seiner Frau im Drogenrausch das Pfeil-und-Apfel-Spiel von Wilhelm Tell nach: dabei benutzen sie Pistole und Wasserglas. Das Ende der Geschichte ist, dass er sie umbringt und danach fliehen muss. Und wohin geht es? In die Internationale Zone Tanger. Dort stolpert der angebliche Geheimagent (für den man ihn nun hält) durch einen surrealen Alptraum, während er gleichzeitig versucht seinen Roman "Naked Lunch" zu schreiben. Umgeben ist er in in diesem Tanger von vielgestaltigen Junkies, Drogenhändlern und bizarren Kreaturen (darunter sprechende, insektoide Schreibmaschinen und monströse Halbwesen, die sogenannten Mugwumps).
Nachdem ich mein Silvester in Andalusien verbracht habe und den Anfang des Jahres ebendort und in Jerez und Cadiz genießen durfte, lag Tanger als nächstes, wenn auch spontanes Ferienziel sehr nahe. Vielleicht würde es mich literarisch inspirieren, da ich doch kurz zuvor mein letztes Manuskript beendet hatte? Immerhin war William S. Burroughs nicht der einzige Literat, der Tanger besuchte, auch weitere Popliteraten wie Truman Capote, Paul und Jane Bowles, Tennessee Williams und natürlich Jack Kerouac bevölkerten Tanger einst in den 60er und 70er Jahren. Allerdings waren das ganz offensichtlich andere Zeiten - von bizarren und zwielichtigen Gestalten fühlte ich mich zwar umgeben, aber inspirierend fand ich die nun eher nicht. 
Der Legende nach hat Antaios, Sohn von Poseidon und Gaia, die Stadt gegründet. Herkules spaltete an dieser Stelle die Erde und schuf so die Meerenge von Gibraltar, in der Mittelmeer und Atlantik ihre Gewässer vermischen. Dort war ich, wie viele andere auch. Ein kleiner wunderschöner Fleck Erde, der von viel zu vielen Menschen gleichzeitig besucht wird. Ein paar Meter daneben erstreckt sich dafür ein langer wunderschöner Strand, der zum Spazieren gehen und Chillen einlädt. 
Ich hatte ein praktisches Airbnb in der Nähe der Medina (Altstadt), die ich mit meiner sehr netten Begleitung G. besuchen durfte. Der Stadtstrand war ein bisschen verschmutzt und ich hoffe sehr, dass er demnächst gereinigt wird - zu viel Plastik und anderer Shit, der von Tourist*innen achtlos herumgeschmissen wird. Wo bleibt unser Gewissen, unser Verantwortungsbewusstsein?
Ich habe viel gelernt über Marokko, über Tanger, über Verhaltensweisen und Traditionen in diesem Teil des Landes. Einiges hat mich traurig gemacht, die vorherrschende Homophobie zum Beispiel, die tatsächlich auch für Ausländer*innen, die der Sprache nicht mächtig sind, spürbar wird. Ich habe viel über Praktiken wirtschaftlicher Art gelernt (*hüstel), wie man verhandelt und jederzeit übers Ohr gehauen werden kann. Aber das gibt es überall, auch in Deutschland, nur da eben etwas subtiler (meistens, aber auch nicht immer!). 
Das Wetter war wunderbar, die Begleitung auch, ich hatte eine schöne Zeit und fühlte mich meist wohl. Aber ich dachte auch über Vieles nach ...





















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