Fortsetzungsroman: Moody Blue 22

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Wenn wir nur wüssten, was er bei der Baggersee-Party Peinliches gemacht hatte. Hör zu, sagte ich zu Alejandro, ich rufe jetzt ein paar Leute an, die vorgestern bei der Party gewesen sein könnten, ich kriege etwas heraus. 
Doch es gestaltete sich nicht so leicht: Die üblichen Baggersee-Party-Gäste, die ich kannte, hatten diese ausgelassen, sie verwiesen mich auf andere Leute, die ich entweder nicht erreichen konnte oder die doch nicht da gewesen waren. 
Nach einer Stunde endlich verbuchte ich einen Erfolg; ich konnte Jörg ausfindig machen, der das bunte Treiben organisiert hatte. Ich fragte ihn nach Tobi, er kannte ihn nicht, ich beschrieb ihn ihm, ich erzählte ihm von dessen bester Freundin, mit der er immer herumhing, dann schimmerte es Jörg, ja, genau, sagte er, da war ein Typ, der sehr spät kam. So um kurz nach zwölf oder so, der traf sich mit einer Klasse-Frau, die mit einem hässlichen, glatzköpfigen Ausländer knutschte und fummelte. Das sind sie, rief ich, was haben sie gemacht? Haben sie etwas Peinliches, Bescheuertes angestellt? Er schien nun verwirrt zu sein. Ich weiß nicht, was du meinst, erwiderte er, ich habe sie nur zufällig gesehen, als sie sich getroffen hatten, sie standen dann auf und ich sah sie nicht mehr in dieser Nacht. 
Haben sie mit jemandem gesprochen oder kennst du jemanden, der sie nach dir noch gesehen haben könnte? fragte ich neugierig und jetzt in Fahrt gekommen. Ähm, warum willst du das wissen, Apostoli? Es ist wichtig, schrie ich fast ins Telefon, ich muss Informationen über die drei bekommen und vor allem über Tobias; fällt dir niemand ein, der mir weiterhelfen könnte? Warte, sagte er gütig, ich rufe kurz ein paar Leute an und melde mich danach noch einmal bei dir. Ich bedankte mich und legte auf. Hoffentlich kam er weiter. Da war etwas und ich musste es herausfinden. 
Ich redete mit Alejandro über den gestrigen Abend und er meinte, dass wir getrunken, es beide gewollt und viel Spaß dabei hatten. Noch vor zwei Tagen hatte er sich so etwas nicht zugetraut, aber in dieser Situation fand er nichts Schlimmes daran und auch jetzt versetzte ihm nur Tobis Blick im Auto ein mulmiges Gefühl. Mich überkommt ein kalter Schauer, wenn ich daran denke, sagte er. Aber wie sollen wir uns nun ihm gegenüber verhalten? Der wird hier ständig aufkreuzen, prophezeie ich dir. Es ist doch dein Freund, meinte er nun lapidar. Wer hat ihn vorhin abgewimmelt, du, oder nicht? Aber heute ist es etwas anderes, heute wären wir im Umgang mit ihnen verlegen, schwach und sie kämen sich überlegen vor, behauptete er. Morgen etwa nicht? fragte ich. Nein, morgen ist eine notwendige Distanz zwischen uns und ihnen wiedergekehrt. Ich wusste nicht, ob er da recht hatte, ich bezweifelte es. Uns hatte am vorigen Abend etwas überkommen, das von stärkerer Kraft war, als die, die wir in diesem Moment aufbringen könnten. 
Wir hatten zuviel getrunken, wurden schwach. Und jetzt sollten wir uns schämen, es müsste uns noch lange die Röte ins Gesicht steigen, wenn wir die beiden sehen. Oder nicht? Wir haben so eine Sache noch nie getan! Aber Alejandro schien alles locker zu nehmen, der Alkohol hatte uns dazu getrieben, trotzdem war es schön, eine nette Erfahrung, wenn die bösen, beunruhigenden Blicke nicht gewesen wären. 
Jörg rief zurück, nannte mir den Namen von Christine, die mit der Schwester von Levent in die Schule ging und interessiert beobachtet hatte, was die drei trieben. Sie erzählte mir, dass mein bester Freund sich ihr gegenüber völlig anders verhalten hatte als sie es von ihm gewohnt war, während er früher eher arrogant oder jovial gewesen sei, so wie es eben große Brüder gegenüber den Freundinnen ihrer kleinen Schwestern taten, zwinkerte er ihr an diesem Abend ständig zu, machte ihr schöne Augen, überredete er sie zu einem gemeinsamen Spaziergang, auf dem er sie fragte, ob sie Lust habe, sich ein wenig mit ihm und seiner Freundin zu amüsieren. Ich lehnte natürlich empört ab, sagte sie, und rannte davon. Danach flirtete er immer noch mit mir weiter. 
Dann, so gegen Mitternacht, erschien ein weiterer Junge, der sich zu ihnen gesellte, sie unterhielten sich kurz, standen auf und gingen. Meine Neugierde war geweckt, ich verfolgte sie, sie liefen nicht weit, sie suchten eine Stelle, an der sie es sich bequem machen konnten, um – ähm – miteinander zu schlafen. Sie trieben es eine Weile wie die Tiere, ich habe kein schlechtes Gewissen, dass ich spannte, vermutlich wollten sie es, spürten es, sie waren – irgendwie waren sie wirklich widerlich, sie praktizierten die widerlichsten Stellungen, der andere Junge und Levent fickten sich sogar gegenseitig in den Po. Ich meine, ich habe nichts gegen Schwule, weiß Gott nicht. Aber was sie trieben, alle miteinander, war wirklich pervers. 
Christine –, unterbrach ich sie, was machte das Mädchen, während sich die Jungs – ähm – amüsierten? Sie schlabberte an den beiden rum, antwortete sie. Und wie lange ging das? Eine knappe Stunde. Du hast die ganze Zeit zugeschaut? Ja, ein Freund von mir setze sich zu mir, ähm, ich muss jetzt etwas verschweigen, ähm. Hast du mit ihm...? fragte ich indiskret. Frag nicht, sagte sie. Was machten sie dann? wollte ich wissen. Ich habe nichts mehr mitgekriegt, ähm –, ich war beschäftigt. Sonst weiß ich nichts, ich hoffe, ich konnte dir helfen, sagte sie. Ich bedankte mich tausend Mal und sie meinte, dass es gut tat, sich das von der Seele zu reden, sie hatte nur mit dem Jungen, mit dem sie zusammen gewesen war, darüber gesprochen, der das einfach nur geil und aufregend fand und es bestimmt vor seinen Freunden herausposaunte. Aber er kenne Levent nicht, im Gegensatz zu ihr, sie könne im Moment dessen Schwester nicht in die Augen schauen. Vielen Dank nochmal, sagte ich, und legte auf. 
Wie war das: die krassesten Geschichten schreibt das Leben selbst? Ich war irgendwie zu einer Figur in einem meiner eigenen Romane geworden, nur dass nicht einmal diese so von Sex und niederer Moralvorstellung trieften. Oder war ich zu konservativ? Nein, ich war nicht konservativ. Kein Wunder hatte mich Tobi nachts angerufen, kein Wunder hatte er am nächsten Mittag sauschlechtes Gewissen. Aber jetzt einmal nachdenken: 

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