Fortsetzungsroman: Moody Blue 14



Drei

Η πατριδα μου

Εγω σου λεω τα ονειρα
που κρυβω μεs στα στηθια
μα εσυ μου λεs καταμουτρα
την πιο πικρη σου αληθεια.

(ΚΑΙΤΗ ΓΑΡΜΠΗ)

Ich erzähle dir die Träume,
die ich zwischen meinen Brüsten verstecke,
aber du schmetterst mir deine allerbitterste Wahrheit
mitten ins Gesicht.

(KAITI GARMBI)

Natürlich konnte ich nicht einschlafen, ich schlafe generell schlecht, wenn Alejandro neben mir im Bett liegt. Ich weiß nicht, woran das liegt, aber oft verbringe ich schlaflose Stunden neben ihm, habe ganz unruhige Nächte. Als er aufwachte, schaute er mich erschreckt an, was machst du denn hier? Das ist mein Bett, sagte ich. Wo ist denn Levent? fragte ich. Der sei kurz nach vier aufgewacht und nach Hause gegangen, sagte mir mein Süßer. Ob sie miteinander geredet haben, wollte ich wissen, er verneinte es, Levent sei sofort aufgebrochen. 
Eigenartig, dachte ich. Levent entwickelte sich langsam zu einem Menschen der Überraschungen. Alejandro wollte alles über mein Date mit Tobi wissen und ich erzählte es ihm. Weiß er, dass du einen Freund hast? fragte er. Seltsam, dass ich Tobi gar nichts von meinem Brasileiro erzählt hatte, so als ob ich daran interessiert wäre, etwas mit dem Neuen anzufangen – eine Affäre – und als ob ich glaubte, ich hätte bessere Chancen, wenn ich meinen Partner nicht erwähnte. Mit Alejandro führte ich eine Beziehung, die nicht harmonischer verlaufen könnte. Wir stritten uns nie, wir langweilten uns selten, wenn wir zu-sammen waren, wir ergänzten uns in unserem Denken und Handeln – ich als derjenige, der gerne las und schrieb und nachdachte, der völlig unpraktisch veranlagt war, er als derjenige, der alles Praktische beherrschte, zwar intelligent war, aber selten las, dafür oft putzte –, wir verstanden nach einiger Zeit unseren Humor, unsere Ideen; wir hatten beide einige Eigenheiten, allerdings Eigenheiten, die den andern nicht nervten, höchstens amüsierten, mit anderen Worten: Wir lebten glücklich und zufrieden miteinander. Das sollte ein Junge zerstören, der nicht einmal gutgebaut und hübsch war? Naja, er hatte eine interessante Persönlichkeit und etwas Mysteriöses an sich, aber reicht das aus, um eine große Liebe zu gefährden? 
Bisher hatte ich mich, außer bei Alejandro, der wirklich außerordentlich hübsch ist, immer in Menschen verliebt, die nur ich schön fand, weil ich sie verstand (bzw. glaubte, sie zu verstehen) oder in ihnen etwas Wundervolles entdeckt hatte, und die sonst jeder nicht hübsch oder begehrenswert einstufte. Alle von ihnen waren schüchtern und still, so wie Alejandro oft sich verhält, wenn er sich in einer ungewohnten Situation wiederfindet, und schienen oft von mir ange-strengt zu sein - ich überforderte sie mit meinem einnehmenden Wesen und meiner Geschwätzigkeit, die sie beispielsweise zwang, mehr als eine halbe Stunde zu telefonieren. Bei Alejandro war es anders. 
Anfangs redete ich ihn zwar manchmal mit meinem intellektuellen Blödsinn platt, aber er schaffte es bald, sich dessen zu erwehren. Tobias schien mich, glaube ich, mehr zu interessieren, als ich zugegeben hätte, obwohl er eben nicht hübsch war und ich auch niemanden neben Alejandro brauchte. Ich sagte, nein, Engelchen, er weiß nichts von dir. Und in einem Anflug von Keckheit fügte ich hinzu, sonst könnten wir unser Spiel ja nicht fortsetzen. Spiel? fragte er mit verzogener, skeptischer Miene, willst du mir doch etwas beichten? Nein, du weißt, wie ich das meine, ich liebe dich, er ist nicht mein Typ, aber wir amüsieren uns ganz harmlos. Nacktbaden und einen dicken Pimmel in des anderen Arsch stecken und so, nicht wahr? Alejandro, bist du wirklich eifersüchtig? Ein bisschen mache ich mir Sorgen, sagte er bedrückt. Nein, Schatz, sei unbesorgt, du bist mein Ein und Alles, und ich begann ihn überall zu küssen, an ihm entlang kriechend. Das weißt du, gell? fragte ich ihn zwischendurch mehrmals. Er lachte. 
Naja, alles konnte man seinem Freund nicht erzählen, die Zweifel, die man selbst hegte, die Verwirrungen der Gefühle, die lange benötigten, um sich einordnen zu lassen. Da meine Mutter in Urlaub gefahren war, lebte er praktisch bei mir und hatte in der letzten Nacht nicht bei mir geschlafen, da er mit seinen Pfadfindern weggewesen war. Ich freute mich auf einen Abend mit ihm allein, fragte ihn, was im Fernsehen komme, natürlich nichts, fragte ihn, ob er uns einen Videofilm holen wolle. Bald gäbe es keinen guten Film mehr, den wir noch nicht angeschaut haben. Aber es war einfach schön, entspannend, mit ihm auf meinem Bett zu liegen und zu knuddeln und einen interessanten Film zu erleben. Der Regisseur beziehungsweise der Drehbuchschreiber erzählte eine Geschichte und ich liebte Geschichten, ich sammle Geschichten. Ich schaute sie mir an, ich las sie, ich erlebte sie, ich fühlte und roch sie und ich bekam sie zu hören. Mich interessierten überhaupt nur Leute, die Geschichten erzählten, keine nichtigen, gewöhnlichen Episoden eines Lebens, sondern substanzvolle, mit Herz vorgetragene, wirkliche Stories. Alejandro konnte sie erzählen. Levent ebenfalls. Und Tobias auch. Der konnte sie sogar ohne zu reden vermitteln. Naja, wenn man darauf achtet, können das die meisten Menschen, nur bei ihm merkte man es auch sichtlich. 
In Filmen taucht man – genauso wie in Büchern – in Welten ein, die nicht die eigenen sind, man ist mittendrin und will wissen, was einem als nächstes geschieht. Es ist eine Reise in den eigenen Gedanken, sie wird vom Film inspiriert, aber man selbst trägt sich weiter, macht etwas Wertvolles daraus. Man kann physisch in seinem Zimmer sein und seelisch durch die ganze Welt reisen. Was ist mit Menschen, die sich Schwarzenegger-Fime reinziehen und scheinen, als würden sie gar nichts denken? Irgendetwas passiert auch in ihnen. In Gedanken leben sie diese Aggressionen und Allmachtsphantasien aus, die sie auf dem Bildschirm betrachten. Neunzig Minuten sind sie die starken Herren der Welt, die Herren unserer Zeit. Oder? 
Alejandro fuhr mit dem Fahrrad zur Videothek. Währenddessen nahm ich mir ein Buch zur Hand und las. Andere Menschen mussten jeden Tag Sport treiben, um sich wohlzufühlen, ich musste jeden Tag mindestens dreißig Seiten lesen, sonst hatte ich das Gefühl, nichts getan zu haben. Manchmal entwickelte sich so etwas sogar ins Zwanghafte: Ich musste lesen. Oft war es Alejandro, der mich davon abhielt, oft in Verbindung mit Video bzw. Fernseh schauen. Ich hatte gerade mal zehn Seiten gelesen, da klingelte mich das Telefon aus meiner Konzentration. 
Levents Freundin war dran. Sie wollte wissen, ob er da sei, er war es nicht, wann ich ihn das letzte Mal gesehen habe, um drei, wo er danach hingegangen sei, wusste ich nicht. Daheim sei er nicht, sie hatten ihn seit dem vorigen Nachmittag nicht mehr gesehen. Er wollte sich eigentlich bei ihr melden, schon am vorigen Abend, hatte es aber nicht getan. Sie machte sich Sorgen, das alles sähe Levent nicht ähnlich. Oi, oi, oi, dachte ich, das könnte noch ein heißer Tanz für ihn werden. Es gab eine Zeit, da hätte sie mich niemals angerufen, sie war eifersüchtig auf mich gewesen und konnte es nicht verstehen, dass ihr Freund so ein enges Verhältnis zu einem Schwulen hatte. 

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