Digi Digi Digi can’t you see (von Nikk Schmitz)

Digi Digi Digi can't you see
digital first is necessary …
Zugegeben: Diese eher dilettantisch umformulierte Zeile des Hiphop-Klassikers „Hypnotize“ klingt als Überschrift ziemlich reißerisch – fast gar nach Meinungsmache. Deswegen möchte ich mich vorweg schon mal bei all denjenigen entschuldigen, die an dieser Stelle eine ihrer Meinung nach längst fällige Abrechnung mit dem obsoleten Printbuch erwartet haben. Nein, darum soll es hier nicht gehen. Es sind zwar alle astiküsse im digitalfähigen Alter, doch das heißt noch lange nicht, dass wir alles Analoge doof finden – ganz im Gegenteil!

Dieser Artikel ist also keine Wertung in der Diskussion Digital vs. Print, kein Schulterschluss mit Kulturpessimisten und auch kein Abgesang auf traditionelle Medien.

Es soll hier vielmehr darum gehen, wie man als kleiner Verlag mit quasi null Budget trotzdem Voraussetzungen schaffen kann, unter denen die Produktion von gedruckten Büchern machbar ist und kein zu hohes finanzielles Risiko für die Beteiligten darstellt.

Wie sieht also der Plan aus? Bei uns bedeutet digi first, dass alle unsere Titel zunächst in digitaler Form erscheinen. Nach der Veröffentlichung gibt es eine dreimonatige Subskriptionsphase, auf die dann im Idealfall die Erscheinung in Printform folgt. Sicherlich wird es bei manchen Titeln länger dauern, andere werden eventuell schneller umgesetzt und wieder andere möglicherweise gar nicht – das wird sich zeigen. Vielleicht stellt sich auch heraus, dass drei Monate zu viel oder nicht genug Zeit sind, um die Lage einschätzen zu können. Das Grundprinzip möchten wir aber gerne so ausprobieren.

Was macht denn das eBook als primäre Veröffentlichungsform so attraktiv? Nun, die zwei Hauptgründe sind die Natur und – wer hätte das gedacht?- das liebe Geld. Den Großteil der verlegerischen Wertschöpfungskette können wir hier geflissentlich beiseite lassen, denn das Manuskript muss akquiriert, lektoriert und redigiert werden, egal in welcher Form es erscheint. Selbst in der Datenaufbereitung für die Produktion herrscht kaum ein Unterschied. Aber auf alles, was danach passiert, bis das Produkt beim Käufer ist, möchten wir hier ein Auge werfen.

Wenn das eBook die Herstellungsabteilung von astikos verlässt, wird es in den eigenen Shop gestellt und via eines Distributionsdienstleisters auf die diversen Verkaufsplattformen verteilt. Das ist mit ein paar Klicks und Datentransfers erledigt.

Bei einem gedruckten Buch sieht die Sache schon ganz anders aus. Zunächst werden die Daten an die Druckerei geliefert (so weit so gut so wenig Unterschied). Dort wird in großen Maschinen der Inhalt der Daten auf stapelweise Papier gedruckt – und weiter geht es in die Buchbinderei, wo das Buch zusammengesetzt, gebunden und mit einem schönen Umschlag versehen wird. Das ganze Material, die Arbeit und die Benutzung der Maschinen kosten natürlich Geld und sind leider in den meisten Fällen der Umwelt nicht gerade zuträglich. Von dort geht es via LKW weiter ins Lager. Hier werden wieder Transport- und Lagerkosten fällig und die Natur … naja, ihr seht, worauf ich hinaus will. Man könnte auch das eigene Wohnzimmer in ein Lager umbauen um Geld zu sparen, aber zum einen stehen da schon Bücher herum und zum anderen müsste ich dann die Möbel in ein Lager schaffen. Das ist also auch keine gute Option. Egal, wo man die Bücher zwischenlagert, sie sind auf jeden Fall noch nicht am Ende ihrer Reise angekommen. Vom Lagerplatz müssen sie dann noch zum Buchhändler gebracht werden –  wieder per LKW, wieder hat das seinen Preis für Verlag und Umwelt. Diese sehr vereinfachte Darstellung der Abläufe ist in der Realität natürlich viel komplexer und hat sicherlich auch einige Ausnahmen, aber in jedem Fall sind die Spuren in Umwelt und Geldbeutel deutlich zu sehen.


Der dritte große Aspekt hängt sehr eng mit den beiden bereits angeführten zusammen: Es geht um die Qualität. Wie man weiß, gibt es kaum ein Buch auf der Welt, das keine Fehler hat. Rechtschreib- und Interpunktionsfehler schleichen sich sehr leicht ein und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man ein und dasselbe Wort zigmal lesen kann und trotzdem übersieht, dass die Buchstaben e und i vertauscht sind. Das ist ganz normal. Es gibt aber auch schwerwiegende Fehler, die schon so manchen Verlag dazu gebracht haben, ganze Printauflagen in die Tonne zu treten, ungeachtet der ökologischen und ökonomischen Konsequenzen. Bei eBooks lassen sich Fehler ziemlich einfach beheben – Datei auf, Fehler raus, Datei zu … und einfach neu hochladen. Ob sich das für jedes falsch gesetzte Komma lohnt, sei dahin gestellt. Zumindest müssen keine Bäume sterben, nur weil man den Autor falsch geschrieben hat. Und so besteht die Hoffnung, dass wir, wenn wir unsere Bücher drucken lassen, ein Produkt haben, das solch drastische Maßnahmen nicht nötig hat.

Und was genau haben die Unterschiede zwischen eBook und haptischem Buch mit der dreimonatigen Subskriptionsphase zu tun? Durch die primäre Veröffentlichung als digitales Produkt sparen wir uns zunächst die Mehrkosten, die durch die Printproduktion, Logistik und Lagerung der Bücher anfallen. Wir nehmen uns somit die Zeit zu sehen, wie der Titel angenommen wird. Anhand der Verkaufszahlen hoffen wir, zumindest eine grobe Einschätzung des Titels machen zu können: Lohnt es sich, das Buch überhaupt zu drucken? Und wenn ja, wie groß sollte die Auflage dann sein? Welches Druckverfahren ist das richtige für dieses Projekt? Wenn wir es schaffen, die Zahlen richtig zu interpretieren, dann lassen sich so sowohl Umwelt als auch Geldbeutel nachhaltig schonen und das Risiko bleibt überschaubar. Und wo wir schon beim Geld sind – da haben wir uns überlegt, die Druckkosten zumindest teilweise durch die eBookverkäufe quer zu finanzieren. Es erscheint uns sinnvoll, dass sich die diversen Produkte innerhalb des gleichen Projektes gegenseitig finanziell unterstützen.

So, das ist unser Plan und der Grund, warum wir digi first arbeiten. Was haltet ihr davon? Habt ihr Fragen, Verbesserungsvorschläge, Kritik oder Lob? Dann nutzt einfach die Kommentarfunktion hier unten oder #verlagneudenken in den sozialen Medien.

http://astikos.de/2015/07/digi-digi-digi-cant-you-see/

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