The Defenders - eine Arbeit von William Forsythe

Bild: Dominik Mentzos (Yoko Ando / Tilman O´Donnell)
Eines lässt sich auf jeden Fall immer über die Arbeiten von William Forsythe sagen: Sie stellen eine Herausforderung dar. Und zwar auf ganz unterschiedliche Weise. Im Fall der Frankfurt-Premiere von „The Defenders“ am 30. März bestand diese in einer sehr profanen Problematik: in Rückenschmerzen, verknoteten Füßen, eingeschlafenen Armen, je nachdem wie man sich versuchte zu setzen. Anstatt eines Bühnenbildes hängt bei dieser Aufführung ein weißer Kasten von der Decke des Bockenheimer Depots hinunter. Schwer zu sagen, wie groß dieser ist, fünfzig mal zwanzig Meter vielleicht? Kleiner? Größer? Er hängt sehr weit unten, knapp einen Meter über dem Boden, das lässt sich etwa schätzen. Wieso die Zuschauerinnen und Zuschauer diese körperlichen Qualen erleiden müssen? Weil sie in zwei Reihen vor diesem Kasten Platz finden müssen, die hintere Reihe kann auf einer Bank sitzen, die vordere Reihe sitzt auf dem Boden vor der so genannten Bühne. Nicht wirklich bequem.
Aber sehr viel weniger unangenehm als die Schmerzen, die die Darstellerinnen und Darsteller in diesem Stück auf sich nehmen müssen, trotz Schonern und viel Übung. Wenn sie durch die Halle robben, mit ihren Gliedmaßen gegen die Decke schlagen, tut es einem fast schon beim Zuschauen weh. Aber beginnen wir am Anfang. Bei der Evolution sozusagen. Denn, wie uns der Flyer zur Aufführung sagt, soll sich in The Defenders eine evolutionäre Allegorie unter einem bedrückenden, die Sinne schärfenden Plafond, wie dieser große weiße Kasten genannt wird, entfalten. Für den Zuschauer sieht das dann so aus im Anfangsbild: er sieht nichts. Er hört. Wie zunächst eine Person unter diesem Plafond sozusagen in einem Krebsgang von der einen Seite zur anderen robbt. Den aufrechten Gang gibt es noch nicht. Alle Personen robben anfangs durch das Stück, quietschen und schreien wie die Affen, klopfen an die Decke, so als Ritual, das manchmal eher hilflos als stark anmutet. Sie bekämpfen sich wohl gegenseitig. Bei einem Versuch der Interpretation könnte man nun sagen: Wie die Soldaten in der heutigen Zeit, die für politische Zwecke missbraucht werden, nach Afghanistan oder in den Irak geschickt werden, von amerikanischen Präsidenten, die ihr Öl verteidigen möchten und denen die Menschen ganz egal sind. Dieser weiße Kasten, der da so tief hängt, könnte als Sinnbild genommen werden für die Ohnmacht und das fehlende Aufbegehren der Menschen der heutigen Zeit, die gar nicht mehr die Möglichkeit haben sich zu erheben. Politische Machthaber konstruieren Machtapparate, Medien, Kriegsschauspiele, um die Menschen zu manipulieren, sie ewig klein zu halten, sie am Boden rumkrebsen zu lassen, nicht aufrecht gehen zu lassen und eine Meinung zu haben.
Bild: Dominik Mentzos (Tilman O´Donnell)
Das müssen sich die Menschen erkämpfen, das versuchen die Darstellerinnen und Darsteller dieser Aufführung auch eindrücklich. Forsythe hat hier ein Stück als erstes einer Vierer-Reihe entwickelt, das fast untypischerweise für ihn eine Geschichte von Anfang bis Ende erzählt, dabei ist viel Ironie mit von der Partie. Wo sich die Ironie zeigt? Zum Beispiel in dem breitbeinigen Cowboy-Gang gegen Ende des Stückes und den texanischen Country-Songs, die die Darsteller intonieren. Vergessen wir nicht, uraufgeführt wurde The Defenders im Jahre 2007 in Zürich. 2007 regierte Bush noch. Trotz eines klaren Anfangs und Endes ist allerdings weiterhin schwierig zu bestimmen, ob dies ein Tanztheater ist oder gerade wegen des Plafonds eher eine Tanzinstallation, eine Tanz-Performance.
Eine Performance mit sehr viel Gekreische, Gegrunze, mit fremden Sprachen, auch hier ein Sinnbild für die Kriege in Afghanistan, dem Irak oder zurzeit in Libyen, in denen Streitmächte verschiedener Nationen miteinander für Ordnung sorgen sollen.
Dieses Stück ist erneut eine Herausforderung für die Zuschauerinnen und Zuschauer, ich erwähnte es bereits, doch lohnenswert wie immer. Wer eine Möglichkeit hat, diese Aufführung mit stets wechselndem Ensemble zu schauen, sollte dies auf jeden Fall tun. Am 6., 7., 8. und 10. April werden sie erneut ab 20 Uhr eine Stunde durch das Bockenheimer Depot robben, kreischend und kämpfend, also nicht verpassen!
P.S.: Vielen Dank an die Forsythe Company, an Mechthild Rühl und Dominik Mentzos - für die gelungene Aufführung, dem guten Essen danach und die schönen Bilder :-)
http://www.theforsythecompany.com/

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