Stuhl hin oder her... KOKOLORES - Teil 2 -

„Kokolores, Klischee – bringt uns alles nicht weiter. Du bist so wie du bist, weil du clever bist. Nichts weiter. Einfach ein cleveres, weltoffenes Bürschchen, und das ist gut so. Fang aber nicht mit diesen Stühlen an, sonst ramme ich dir einen in deinen kleinen Bauch.“

Toula, die bei unserer ersten Demo gegen die Bildungsmisere, vorneweg lief, plötzlich gegen die Polizisten wetterte, so etwas wie „Bullen raus, geht nach Haus´“ skandierte, woraufhin wir ihr sofort rieten, ihren Mund zu halten, bevor sie noch niedergeknüppelt werde.

Unsere Väter kamen aus unterschiedlichen Gründen nach Deutschland. Metins Vater war ein intellektueller Linker, hochgebildet, mit Universitätsabschluss als Ingenieur. Mein Vater war ein armes Dorfkind mit geringer Schulbildung, der als ältester der Brüder beschloss sich fünf Jahre lang als Gastarbeiter bei der Firma Züblin zu verdingen, um Geld nach Hause zu schicken, den Standard der Familie anzuheben, dann zurückzukehren, eine Frau zu finden und zu heiraten. Das tat er allerdings dann in Deutschland. Und blieb. Genauso wie Metins Vater, der seine Frau ebenfalls in Deutschland kennenlernte. Trotz seiner guten Bildungsabschlüsse, die in Deutschland nicht anerkannt wurden, landete er im Stahlwerk, genauso wie später mein Vater.

Metin und ich telefonierten regelmäßig. Er tat sich schwer im Leben. Schauspieler hätte er werden wollen, bewarb sich allerdings nicht an Schauspielschulen. „Das kann ich doch nicht machen“, erklärte er mir, „meinem Vater jahrelang auf der Tasche liegen und danach womöglich keine Rollen bekommen? Das kann ich nicht machen, wirklich nicht!“ Er entschied sich für ein Jurastudium. Es war nicht so, dass es völlig überraschend für mich kam. Wir hatten in der zwölften Klasse beim Tag der offenen Tür an einer Hochschule in Jura-Vorlesungen hineingeschnuppert. Allerdings schreckte mich das eher ab. Er fand es nicht ganz so langweilig wie ich. Doch ich wusste, dass es nicht das Richtige für ihn war. In den Telefonaten erzählte er immer von diesen Qualen, von seinen Lernproblemen, seinen Schwierigkeiten, sich die ganzen Gesetze auswendig zu merken, sie anwenden fände er ja ganz interessant, da könne man so schön interpretieren, wie in Deutsch-Aufsätzen.

Gemma wurde meine beste Freundin im Studium, ich liebte ihren Humor, ihre knackigen Sprüche. Als jemand fragte, ob jemand einen dicken Edding habe, antwortete sie:
„Ich habe sogar zwei dicke Eddings. Höhöhö.“

Wir diskutierten oft über ihre Familie, die rigide Art, wie mit ihr umgegangen wurde, doch sie versuchte immer wieder mit Witzen davon abzulenken.
„Eines Tages sagt mein Vater: ´Gemma, Sophia, kommt mal, kommt mal, ein Kaminfeger ist auf unserem Fenster!´ Verwundert rennen wir ins Wohnzimmer, schauen auf das Fenster, zucken noch verwunderter die Achseln, erklären ihm: ´Du meinst Marienkäfer, das ist ein Ma-rien-kä-fer.´ Ein anderes Mal begrüßt er mich mit: „Gemmi, was gibt es neun?´ Ich antworte: ´Acht!´“

Mich interessierte aber noch mehr, dass sie abends ausbüxen musste, um auszugehen. Wenn die Eltern sich ins Bett legen, einschliefen, konnte sie es gelegentlich ausreißen. Schlimm fand ich das, mit 23 Jahren. Keinen Freund haben, nicht weggehen dürfen, nicht erwachsen sein. Die Jugoslawin Dani war da anders, ganz anders, sie hatte sich „emanzipiert“.

Unsere Diskussionen mit Metin drehten sich immer um die Benachteiligungen und Diskriminierungen, die Menschen mit Migrationshintergrund zu erleiden hatten.

- Fortsetzung folgt - 

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