Stuhl hin oder her... KOKOLORES - Teil 1 -

Unsere Väter trafen sich eines Mittags in der Kantine des Badischen Stahlwerkes, klopften sich gegenseitig auf die Schultern und sagten es so:

„Ah, du Papa Aris?!“ – „Ah, du Papa Metin?!“ – „Ja. Metin ist guter Junge.“ – „Ja. Ja. Dein Aris auch ein guter Junge.“ 

Und dann kümmerten sie sich wieder um ihr Essen, vermutlich irgendetwas mit Kartoffeln. 

Metin und ich befanden uns auf dem Spielplatz, in der Nähe seiner Straße, gut versteckt in der großen Rutsche, wenn man saß, sah man uns nicht von außen. Das war auch gut so. Unsere Väter sollten uns nicht beim Kiffen erwischen. Wir sagten es so:

„Scheiße, Mann, wir müssen hier aus dem Kaff raus, wir haben keine Chancen hier, keine Optionen.“ – „Ja, Mann, wir können uns hier nicht entfalten. Wir müssen weg, in die Großstadt, wir brauchen Museen, Theater, wir brauchen eine Chance, um weiterkommen zu können.“ 

 Das war vor langer Zeit gewesen. Wo sind der Metin und der Aris von damals geblieben? Und wo unsere Väter? Mein Vater ist tot. Sein Vater hat Rücken. 

Im Studium hatten wir einen orthodoxen Stammtisch. Und das kam so: Als ich mich für ein Einführungsseminar in Schulpädagogik entscheiden sollte, schaute ich in die Teilnehmerlisten, entdeckte auf einer bereits zwei nicht-deutsch klingende Namen und setzte meinen hinzu. Nach dieser Methode verfuhren auch die anderen „Studierenden mit türkischem, griechischem und jugoslawischen Hintergrund“, so dass wir letztendlich zu acht in dem Kurs waren. Die erste Generation von Studierenden mit Migrationshintergrund im Lehramt an dieser Hochschule. Unsere Diskussionen mit dem Professor waren vermutlich andere als die der anderen Einführungsseminare. 

In der Mensa saßen wir zusammen. „Fehlt nur noch der Wimpel ´Orthodoxer Stammtisch´“ witzelte Gemma, die trotz ihres italienischen Namens eine Türkin arabischer Herkunft und syrisch-orthodox ist. Toula, die „Griechin“, lachte. Herman ebenso, der der apostolisch orthodoxen Kirche angehört. Die „Jugoslawin“ an unserem Tisch sagte: 

„Solange wir nicht unser Brot in diesen grässlichen Rotwein tunken müssen, wie man es bei uns beim ´Abendmahl´ macht?“

„Als Kind habe ich einmal danach gekotzt!“ gab ich an.

Wir führten einige Diskussionen über unsere Herkunft, über unsere Situation als Deutsche mit anderen Wurzeln. Oder waren wir doch Griechen, Jugoslawen, Türken und Armenier? 

„´Zwischen den Stühlen sitzen´ nennen es die deutschen Wissenschaftler jetzt“, sagte Toula. „Was soll das denn heißen?“ – „Als würden wir zerrissen werden ´zwischen den Kulturen´“, schnaubte Chrissoula verächtlich, eine weitere Griechin in unserer Runde. Gemma lachte nur ironisch und sagte: „Nix verstehen! Ich Ausländer!“ Sie brachte es immer fertig, eine Diskussion mit Scherzen entweder zu stoppen oder weiter anzuheizen. Je nachdem, wer dabei war. Diesmal sollte es zu keinem Halt kommen. „Ich finde eher, dass wir aus den Kulturen ´das Beste´ herausfiltern und in unser Leben integrieren!“ sagte ich überzeugt von meiner These und mir selbst. Toula schaute mich verdutzt an: „Bei dir stimmt doch etwas nicht. Und was, bitteschön, sollte dann ´das Beste´ aus beiden Kulturen sein? Möchtest du mir das einmal sagen? Kannst du das definieren?“ Daraufhin begann ich mit „Naja, die Gastfreundschaft der Südländer –

Toula unterbrach mich jäh: 

- Fortsetzung folgt -

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