Letzte Runde
Meinen geschätzten Freund Carsten alias Stancer kennt ihr ja aus mehreren Post-Täuschen, zuletzt beeindruckte er mit "Treue - eine Frage der Definition" auf diesem Blog. Nun hat er ein neues Blog eröffnet. Letzte Runde heißt das gute Stück und darin wird er seinen gleichnamigen Roman veröffentlichen. Als Teaser werde ich euch nun sein Vorwort und sein erstes Kapitel präsentieren. Wer nach mehr lechzt, drückt einfach auf den Link weiter oben. :-)
Das Vorwort
Hier das Ergebnis jahrelangen Schaffens, nochmals gründlich überarbeitet: Meine Geschichte "Letzte Runde". Für einen Roman zu kurz, für eine Kurzgeschichte zu lang, also irgendwas dazwischen. Der geneigte Leser möge bitte beachten:
1.) Die Geschichte ist nicht, ich betone, NICHT autobiografisch. Ausnahme: der erste Satz.
2.) Die Geschichte ist nicht jugendfrei; Jugendliche unter achtzehn Jahren sollten sie daher nur unter Aufsicht der Erziehungsberechtigten lesen, diese können dabei eventuell noch was lernen.
3.) Eine oberflächliche Analyse anhand der Checkliste "Automatische Literaturkritik" aus dem Buch "Wie man den Bachmannpreis gewinnt" von Angela Leinen, Seiten 196 ff., kommt zu folgendem Ergebnis: der Text erhält höchstens 6 Plus- und mindestens 18 Minuspunkte, somit ist er garantiert Bachmannpreis-unverdächtig.
Viel Vergnügen!
Kapitel 1
So lange ich denken kann, wäre ich gerne anders. Also nicht ganz anders, so im Sinne von einer anderen Spezies zugehörig, Bonobo-Affen etwa oder Wellensittiche, das wäre zwar auch in Ordnung, vorausgesetzt, ich fristete mein Leben nicht im Zoo oder im Käfig in Omas Stube, vielmehr bin ich mit meinem Dasein als Mitglied der menschlichen Zivilisation grundsätzlich einverstanden; auch ist es nicht so, dass ich mit einem anderen Menschen als ganzes tauschen möchte, höchstens einzelne Teile, wenn das ginge, aber leider ist das in der Schöpfung nicht vorgesehen, oder zum Glück, man weiß es nicht, und wer weiß, vielleicht geht das ja auch irgendwann, vorausgesetzt man findet einen Tauschpartner, Waschbrettbauch gegen wohlgeformte Füße vielleicht, oder analytische Denkfähigkeit gegen Bauernschläue.
Ich wäre gerne anders, irgendwie. Schon in der Grundschule waren andere immer größer, sportlicher, besser in Mathe, erfolgreicher bei den Mädchen oder sie schafften es auf sonstige Weise, in mir Komplexe hervorzurufen, und daran hat sich bis heute, da die Vierzig bedrohlich blinkt, nicht viel geändert. Gut, die Sache mit den Mädchen hat sich erledigt, aber das macht es nicht einfacher. Alleine schon die Sache mit der Körpergröße: Meine Mutter nennt mich noch heute „mein Kleiner“, obwohl ich von der Reihenfolge her der Mittlere bin, meine große Schwester und mein kleiner Bruder überragen mich jeweils um fast einen Kopf, früher fand ich es deprimierend, „mein Kleiner“, ich hasste es, heute hat es fast etwas schmeichelhaftes und tut nur noch ein ganz kleines bisschen weh. Man sagt ja körperlich kleinen Menschen im Allgemeinen nach, sie seien besonders erfolgreich und durchsetzungsstark, die Geschichte bestätigt das, man denke nur an Napoleon, Danny de Vito oder Norbert Blüm, wobei ich mich mit diesen Herren allerdings weniger in einer Reihe sehe, eher schon mit Gonzo aus der Muppet Show, dem Kommissar bei Paulchen Panther oder Milhouse van Houten.
Dann die Sache mit der Körperbehaarung. Während die anderen Jungs es kaum erwarten konnten, dass ihnen mit einsetzender Pubertät an verschiedenen Stellen endlich die Haare sprossen, an einer ganz bestimmten ganz besonders, musste da bei mir was schief gelaufen sein: Ich war noch nicht aus der Grundschule heraus, da erwuchs mir an besagter Stelle schon ein dichter Busch, wodurch mir beim Umziehen vor und nach dem Schwimmunterricht - ich hasste Schwimmunterricht - sowohl die offen-verhöhnende als auch die verschämt aus den Augenwinkeln betrachtende Aufmerksamkeit meiner noch kindlich-blanken Mitschüler zuteil wurde. Damit nicht genug: wenig später einsetzender Bewuchs weiterer Körperregionen brachte mir den Spitznamen „Cheetah“ ein, nicht etwa „King Kong“, womit ich vielleicht hätte leben können, immerhin war King Kong ziemlich groß; nein, ausgerechnet Tarzans kreischender Schimpanse wurde zu meiner Demütigung herangezogen. Meine Mutter nannte mich übrigens seitdem „mein kleiner Affe“, ich bin mir sicher, sie meinte es nicht böse, Mütter halt.
Dabei habe ich keinen Grund, unzufrieden zu sein: Weder hat mir meine Großmutter mütterlicherseits ihre hexenartige Hakennase vererbt, noch mein Vater seine solange ich denken kann bestehende Kahlköpfigkeit, die hat mein größerer kleiner Bruder übernommen; ja, es gibt schon Attribute an mir selbst, die ich mag, bei aller Bescheidenheit, zum Beispiel, meine blauen Augen und die Grübchen in meinem Gesicht beim Lächeln - wenn ich denn mal lächle.
Was mir weitaus mehr zu schaffen macht als alle Äußerlichkeiten, und zwar immer stärker, je älter ich werde, ist meine Durchschnittlichkeit: Ich war ein mittelmäßiger Schüler mit einem noch mittelmäßigeren Abitur, habe mich einigermaßen durch das Studium gewunden mit einem mittelmäßigen Abschluss, und meine Arbeit empfinde als nicht viel mehr als ein notwendiges Übel, das mich – zugegeben recht gut – ernährt. Oft schon zogen ehemalige Mitschüler, Studienkameraden und Arbeitskollegen an mir vorbei und ließen mich dort zurück, wo sie kurz zuvor selbst noch standen; das erschreckende daran ist, mir fehlt jeder Ehrgeiz, es ihnen gleich zu tun, wenigstens zu versuchen, eine Sprosse der Karriereleiter zu nehmen, es interessiert mich einfach nicht.
Ich beneide Menschen, die etwas besonderes können, die auf der Bühne stehen, weil sie vielleicht gut singen oder mit ihrem spontanen Sprachwitz stundenlang einen Saal unterhalten können; die alleine oder mit ihrer Mannschaft große sportliche Leistungen erbringen und deswegen im Sportteil der Zeitung erwähnt werden; die einen tollen Film machen oder ein großartiges Buch schreiben; oder denen es einfach sonst wie gelingt, andere Menschen für sich zu gewinnen, im Mittelpunkt einer Party zu stehen, es muss ja nicht gleich fürs Fernsehen sein. Manchmal denke ich: das könnte ich vielleicht auch, wenn ich nur etwas fleißiger, ehrgeiziger und entschlossener wäre; bin ich aber nicht, und aller Voraussicht nach werde ich es auch nicht werden, es sei denn, es gelingt mir endlich, mich selbst gehörig in den Arsch zu treten oder jemanden zu finden, der es für mich tut. Unter uns gesagt: Je älter ich werde, desto mehr wird mir klar, im Grunde genommen bin ich eine hohle Nuss, nur hat es anscheinend noch keiner so richtig bemerkt. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, da alles auffliegt und ich frage mich, wie lange das noch gut geht, und, im Vertrauen, vor diesem Tag habe ich eine Scheißangst, mehr als vor dem Tod.
Doch, eins kann ich richtig gut: Katastrophen voraussehen, also nicht die wirklich großen wie Erdbeben, Kriege und Feuersbrünste, die abends den Weg in die Tagesschau finden, sondern die kleineren persönlichen Imponderabilien, für die sich die Medien nur ausnahmsweise interessieren würden. Höre ich in der Ferne die Feuerwehr, denke ich, die sind bestimmt unterwegs zu meiner Wohnung, die gerade in hellen Flammen steht; komme ich nach dem Urlaub den ersten Tag ins Büro, lese ich in den Gesichtern der Kollegen: Du ahnst nicht was hier los war, während du weg warst, der Chef tobt, du wirst dir einen neuen Job suchen müssen; klingelt das Telefon, traue ich mich kaum abzunehmen, bestimmt eine schlechte Nachricht, Oma liegt im Sterben oder so. Meine erwarteten Katastrophen haben einen entscheidenden Vorteil: sie treten nicht ein, nie. Das einzige offene Feuer in meiner Wohnung ist das Feuerzeug, wenn ich mir eine Zigarette anzünde; im Büro war alles ruhig, zumal der Chef ebenfalls Urlaub hatte, was ja irgendwie auch Urlaub ist für die, die arbeiten müssen; und Oma ist sowieso nicht kaputt zu kriegen, sie wird uns voraussichtlich alle überleben. Viel schlimmer sind dagegen die Katastrophen, die ich nicht vorhergesehen habe, die mich um so härter treffen, so wie diese eine, die mich seit Wochen gehörig neben der Spur laufen lässt.
Das Vorwort
Hier das Ergebnis jahrelangen Schaffens, nochmals gründlich überarbeitet: Meine Geschichte "Letzte Runde". Für einen Roman zu kurz, für eine Kurzgeschichte zu lang, also irgendwas dazwischen. Der geneigte Leser möge bitte beachten:
1.) Die Geschichte ist nicht, ich betone, NICHT autobiografisch. Ausnahme: der erste Satz.
2.) Die Geschichte ist nicht jugendfrei; Jugendliche unter achtzehn Jahren sollten sie daher nur unter Aufsicht der Erziehungsberechtigten lesen, diese können dabei eventuell noch was lernen.
3.) Eine oberflächliche Analyse anhand der Checkliste "Automatische Literaturkritik" aus dem Buch "Wie man den Bachmannpreis gewinnt" von Angela Leinen, Seiten 196 ff., kommt zu folgendem Ergebnis: der Text erhält höchstens 6 Plus- und mindestens 18 Minuspunkte, somit ist er garantiert Bachmannpreis-unverdächtig.
Viel Vergnügen!
Kapitel 1
So lange ich denken kann, wäre ich gerne anders. Also nicht ganz anders, so im Sinne von einer anderen Spezies zugehörig, Bonobo-Affen etwa oder Wellensittiche, das wäre zwar auch in Ordnung, vorausgesetzt, ich fristete mein Leben nicht im Zoo oder im Käfig in Omas Stube, vielmehr bin ich mit meinem Dasein als Mitglied der menschlichen Zivilisation grundsätzlich einverstanden; auch ist es nicht so, dass ich mit einem anderen Menschen als ganzes tauschen möchte, höchstens einzelne Teile, wenn das ginge, aber leider ist das in der Schöpfung nicht vorgesehen, oder zum Glück, man weiß es nicht, und wer weiß, vielleicht geht das ja auch irgendwann, vorausgesetzt man findet einen Tauschpartner, Waschbrettbauch gegen wohlgeformte Füße vielleicht, oder analytische Denkfähigkeit gegen Bauernschläue.
Ich wäre gerne anders, irgendwie. Schon in der Grundschule waren andere immer größer, sportlicher, besser in Mathe, erfolgreicher bei den Mädchen oder sie schafften es auf sonstige Weise, in mir Komplexe hervorzurufen, und daran hat sich bis heute, da die Vierzig bedrohlich blinkt, nicht viel geändert. Gut, die Sache mit den Mädchen hat sich erledigt, aber das macht es nicht einfacher. Alleine schon die Sache mit der Körpergröße: Meine Mutter nennt mich noch heute „mein Kleiner“, obwohl ich von der Reihenfolge her der Mittlere bin, meine große Schwester und mein kleiner Bruder überragen mich jeweils um fast einen Kopf, früher fand ich es deprimierend, „mein Kleiner“, ich hasste es, heute hat es fast etwas schmeichelhaftes und tut nur noch ein ganz kleines bisschen weh. Man sagt ja körperlich kleinen Menschen im Allgemeinen nach, sie seien besonders erfolgreich und durchsetzungsstark, die Geschichte bestätigt das, man denke nur an Napoleon, Danny de Vito oder Norbert Blüm, wobei ich mich mit diesen Herren allerdings weniger in einer Reihe sehe, eher schon mit Gonzo aus der Muppet Show, dem Kommissar bei Paulchen Panther oder Milhouse van Houten.
Dann die Sache mit der Körperbehaarung. Während die anderen Jungs es kaum erwarten konnten, dass ihnen mit einsetzender Pubertät an verschiedenen Stellen endlich die Haare sprossen, an einer ganz bestimmten ganz besonders, musste da bei mir was schief gelaufen sein: Ich war noch nicht aus der Grundschule heraus, da erwuchs mir an besagter Stelle schon ein dichter Busch, wodurch mir beim Umziehen vor und nach dem Schwimmunterricht - ich hasste Schwimmunterricht - sowohl die offen-verhöhnende als auch die verschämt aus den Augenwinkeln betrachtende Aufmerksamkeit meiner noch kindlich-blanken Mitschüler zuteil wurde. Damit nicht genug: wenig später einsetzender Bewuchs weiterer Körperregionen brachte mir den Spitznamen „Cheetah“ ein, nicht etwa „King Kong“, womit ich vielleicht hätte leben können, immerhin war King Kong ziemlich groß; nein, ausgerechnet Tarzans kreischender Schimpanse wurde zu meiner Demütigung herangezogen. Meine Mutter nannte mich übrigens seitdem „mein kleiner Affe“, ich bin mir sicher, sie meinte es nicht böse, Mütter halt.
Dabei habe ich keinen Grund, unzufrieden zu sein: Weder hat mir meine Großmutter mütterlicherseits ihre hexenartige Hakennase vererbt, noch mein Vater seine solange ich denken kann bestehende Kahlköpfigkeit, die hat mein größerer kleiner Bruder übernommen; ja, es gibt schon Attribute an mir selbst, die ich mag, bei aller Bescheidenheit, zum Beispiel, meine blauen Augen und die Grübchen in meinem Gesicht beim Lächeln - wenn ich denn mal lächle.
Was mir weitaus mehr zu schaffen macht als alle Äußerlichkeiten, und zwar immer stärker, je älter ich werde, ist meine Durchschnittlichkeit: Ich war ein mittelmäßiger Schüler mit einem noch mittelmäßigeren Abitur, habe mich einigermaßen durch das Studium gewunden mit einem mittelmäßigen Abschluss, und meine Arbeit empfinde als nicht viel mehr als ein notwendiges Übel, das mich – zugegeben recht gut – ernährt. Oft schon zogen ehemalige Mitschüler, Studienkameraden und Arbeitskollegen an mir vorbei und ließen mich dort zurück, wo sie kurz zuvor selbst noch standen; das erschreckende daran ist, mir fehlt jeder Ehrgeiz, es ihnen gleich zu tun, wenigstens zu versuchen, eine Sprosse der Karriereleiter zu nehmen, es interessiert mich einfach nicht.
Ich beneide Menschen, die etwas besonderes können, die auf der Bühne stehen, weil sie vielleicht gut singen oder mit ihrem spontanen Sprachwitz stundenlang einen Saal unterhalten können; die alleine oder mit ihrer Mannschaft große sportliche Leistungen erbringen und deswegen im Sportteil der Zeitung erwähnt werden; die einen tollen Film machen oder ein großartiges Buch schreiben; oder denen es einfach sonst wie gelingt, andere Menschen für sich zu gewinnen, im Mittelpunkt einer Party zu stehen, es muss ja nicht gleich fürs Fernsehen sein. Manchmal denke ich: das könnte ich vielleicht auch, wenn ich nur etwas fleißiger, ehrgeiziger und entschlossener wäre; bin ich aber nicht, und aller Voraussicht nach werde ich es auch nicht werden, es sei denn, es gelingt mir endlich, mich selbst gehörig in den Arsch zu treten oder jemanden zu finden, der es für mich tut. Unter uns gesagt: Je älter ich werde, desto mehr wird mir klar, im Grunde genommen bin ich eine hohle Nuss, nur hat es anscheinend noch keiner so richtig bemerkt. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, da alles auffliegt und ich frage mich, wie lange das noch gut geht, und, im Vertrauen, vor diesem Tag habe ich eine Scheißangst, mehr als vor dem Tod.
Doch, eins kann ich richtig gut: Katastrophen voraussehen, also nicht die wirklich großen wie Erdbeben, Kriege und Feuersbrünste, die abends den Weg in die Tagesschau finden, sondern die kleineren persönlichen Imponderabilien, für die sich die Medien nur ausnahmsweise interessieren würden. Höre ich in der Ferne die Feuerwehr, denke ich, die sind bestimmt unterwegs zu meiner Wohnung, die gerade in hellen Flammen steht; komme ich nach dem Urlaub den ersten Tag ins Büro, lese ich in den Gesichtern der Kollegen: Du ahnst nicht was hier los war, während du weg warst, der Chef tobt, du wirst dir einen neuen Job suchen müssen; klingelt das Telefon, traue ich mich kaum abzunehmen, bestimmt eine schlechte Nachricht, Oma liegt im Sterben oder so. Meine erwarteten Katastrophen haben einen entscheidenden Vorteil: sie treten nicht ein, nie. Das einzige offene Feuer in meiner Wohnung ist das Feuerzeug, wenn ich mir eine Zigarette anzünde; im Büro war alles ruhig, zumal der Chef ebenfalls Urlaub hatte, was ja irgendwie auch Urlaub ist für die, die arbeiten müssen; und Oma ist sowieso nicht kaputt zu kriegen, sie wird uns voraussichtlich alle überleben. Viel schlimmer sind dagegen die Katastrophen, die ich nicht vorhergesehen habe, die mich um so härter treffen, so wie diese eine, die mich seit Wochen gehörig neben der Spur laufen lässt.
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