„Tödliche Aussicht“ von Markus Dullin

Die Quer Criminal-Reihe des Querverlags mausert sich immer mehr: Sie ist nicht mehr nur ein Geheimtipp, sondern eine ernste Konkurrentin für die heteronormativen Krimi-Reihen mit hoher Auflage. 

In „Tödliche Aussicht“ hat Markus Dullin sehr viel vor. Er möchte einen spannenden Krimi schreiben – hat er geschafft. Er möchte das Bild einer pervertierten Schwulen-Szene, in der es mehr um Schein als um Sein, mehr um Sexualität als Liebe, mehr um Abhängigkeit als um Zuneigung geht, nachzeichnen. Das schafft er genauso wie eine Coming-Out-Geschichte aus Sicht einer Mutter darzustellen, mit all den Ungewissheiten und Spannungen.

Aber nun zur Geschichte: Klaus macht mit seinen Freunden Urlaub am Grand Canyon. Es wird leider sein letzter. Denn er stürzt in die Tiefe und stirbt. Zeuge wird Hauptkommissarin Monika Seyfarths Sohn Sven. Kurz darauf bekommt sie, wieder in Berlin zurückgekehrt, unangemeldeten Besuch: Carsten, der Halbbruder und ein Reisegefährte von Klaus, behauptet, bei dem vermeintlichen Unfall handele es sich um Mord. Der kriminalistische und ehrgeizige Spürsinn von Monika Seyfarth ist geweckt. Sie versucht also sofort, der Sache nachzugehen, nicht zuletzt, weil ihr eigener Sohn Zeuge des Geschehens war. Doch dann entscheidet sie sich dagegen: Die Beweislage ist zu dürftig und die Rechtslage, den Fall zu übernehmen, kritisch. Und Lust, sich in die Untiefen der Berliner Schwulenszene zu vertiefen, verspürt sie zunächst ebenso wenig, vielleicht weil sie Angst hat, dass es ihr zu nahe gehen wird. Denn sie vermutet, dass ihr Sohn, der Gefallen an der Reisegruppe gefunden hatte, schwul sei. 

Doch als einige Tage später ein weiteres Mitglied der Reisegruppe von einem Berliner Hochhaus stürzt, kann auch die Hauptkommissarin nicht mehr an einen Zufall glauben und beginnt zu ermitteln. Dabei muss sie feststellen, dass alle sechs Verdächtigen ein Motiv haben. Aber auch ein Alibi.

Man kann nicht alle und alles über einen Kamm scheren, auch nicht DIE SCHWULEN-SZENE. Nein, die Menschen sind unterschiedlich, handeln unterschiedlich. Und doch: wenn die meisten derjenigen, die sich nicht „in der Szene bewegen“ von Menschen reden, die sich „in der Szene bewegen“, meinen sie, dass Szene-Gänger oberflächliche Menschen wären, die nur Wert auf ihr Äußeres legten, auf schöne Besitztümer. Diese Szene-Menschen werden als Konsumenten charakterisiert, als Menschen „mit Geschmack“, die schöne Kleider besitzen möchten, schöne Möbel in teuren Wohnungen in teuren Gegenden, mit schönen Autos vor der Tür. Und sie werden so beschrieben, dass sie entweder eine hohe Fluktuation an Liebhabern haben oder nur kranke Arten von Beziehungen, von offenen Beziehungen, führen. Aber am schlimmsten für die Kritiker ist das vermutete Lästern und das sich Besservorkommen. Und die Drogen und das viele Geld, die im Spiel sind.

Und genau so eine „Szene-Clique“ in all ihren Ausläufern, in all ihren Tiefen und Bösartigkeiten beschreibt Dullin in diesem Roman. Und dann ist da dieser Außenseiter Carsten, der schwule Halbbruder von Klaus. Carsten hat kein Geld, im Gegensatz zu Klaus. Und Klaus nimmt ihn mit in die Vereinigten Staaten. Da nimmt die Geschichte ihren Lauf. Wer ist Opfer, wer ist Täter. Dies verschwimmt sehr schnell.

Die große Stärke von Markus Dullin ist, die Beziehungen der einzelnen Figuren zueinander zu beschreiben. Damit meine ich nicht nur die grandios geschilderte Beziehung zwischen Kommissarin und schwulem Sohn, der es ihr verschweigen möchte, dass er schwul ist, sondern auch die mehr oder weniger starken Bindungen der einzelnen Cliquen-Mitglieder und wie sie mit der Zeit immer brüchiger bzw. fester werden.

Der lesenswerte Kriminalroman „Tödliche Aussicht“ von Markus Dullin ist in der Quer Criminal Reihe im Quer Verlag erschienen. Er umfasst 230 Seiten und ist für 12,90 Euro im Fachhandel erhältlich.

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