2 + studio album / Tanz-Performance am 18/11/11
1986. Ein Jahr, viele Erlebnisse, Erinnerungen. Tschernobyl. Libyen. Glasnost. Sandoz. Wackersdorf. Olof Palme. AIDS. Gibt es ein kollektives Gedächtnis? Und wieso 1986? Was spiegelt sich 2011? Fukushima. Libyen und der ganze islamische Raum. Katastrophen. Epidemien. Perspektivwechsel. Occupy. Oder einfach nur, weil die Pet Shop Boys ihr erstes Album herausbrachten? Was bewog Celestine Hennermann und Philipp Bußmann von 2+ für ihre Tanz-Performance im Mousonturm (17.11. Premiere, 18.11. und 19.11.) das Jahr 1986 auszuwählen? Welches war der Grund, die Pet Shop Boys und ihre Lieder in den musikalischen Vordergrund zu stellen?
Und wie kam ich dazu, diese Tanz-Performance zu besuchen? Nun, meine Kehler Freunde sagen ja, dass man in Frankfurt anonym lebt, seine Nachbarn nicht kennt. Man denke nur an DAS. Doch ganz so ist das nicht, mal abgesehen davon, dass ich gar nicht ständig Kontakt mit meinen Nachbarn haben MÖCHTE. Zum Beispiel ist da Philipp, der mit seinem Freund über uns wohnt. Den treffe ich zum Beispiel bei Partys wie der Atomic im Nachtleben. Zum Geburtstag wurde ich auch eingeladen, nur konnte ich leider nicht. Schlechtes Gewissen hatte ich bis Freitag. Dann war ich aber bei der Tanz-Performance von 2+, welches eine Plattform für Tanz-, Performance- und Installationsprojekte von ihm und Celestine Hennermann ist. 2+ wurde 2004 von ihm (der jan Videokünstler und Bühnenbildner ist) gemeinsam mit dem Tänzer und Choreographen Christopher Roman gegründet, und seitdem realisiert er mit Celestine Hennermann modular verschiebbare Projekte zwischen Bühne und Installation. In den Arbeiten von 2+ werden die Ästhetik von Video mit Tanz, von Narration mit Bewegung und von Klang mit Bildern verbunden. Sehr spannend. Beide haben schon mit bedeutenden Größen des Tanztheaters zusammengearbeitet, Celestine war unter anderem Dramaturgin für William Forsythe am Frankfurter Ballett (2000 - 2005), Philipp hat ebenso mit ihm gearbeitet, aber auch mit Sasha Waltz & Guests und vielen anderen.
What kind of dream was this
So easy to destroy
And who are we to blame
The sins of the past
These slums of future...
(aus "Suburbia")
DJ Zootboy aus Karlsruhe liebt die Pet Shop Boys - als ich mit ihm zusammen wohnte, hörte er ständig CDs von ihnen, die er alle besaß (auch irgendwelche Raritäten aus UK und Japan). Er dachte lange Zeit, ich würde sie nicht mögen, weil ich mich über die billige Pop-Musik, die sie machten, belustigte... "Funny how potent cheap music can be. Never in a million years thought about working with them..." (sagte Dusty Springfield, die wegen "West End Girls" im Auto anhörend fast einen Unfall produzierte)... Bis DJ Zootboy eines Tages sagte: Sie geben ein Konzert in Ludwigshafen und ich, ohne darüber nachzudenken, sagte: Ja, ich komme mit - und er mich verwirrt anschaute... Diese Erinnerung habe ich an die Pet Shop Boys, an dieses Konzert, an "West End Girls" im Jahre 1986, dessen Beat ich erlegen war, mitsummte oder gar mitsang. Um Erinnerungen geht es auch in dieser Tanz-Performance namens "studio album". Gibt es ein kollektives Gedächtnis für politische und gesellschaftliche Ereignisse? Welche Ereignisse aus dem Jahr 1986 erinnert man? Spielte Tschernobyl für die Amerikaner eine Rolle? Wohl eher nicht. Und Sandoz? Was war da überhaupt? An beides konnte ich mich erinnern. Ich war damals 11. Und was ist mit Leuten, die nach 1986 geboren wurden? Welche Ereignisse sagen ihnen etwas? Philipp Bußmann und Celestine Hennermann suchten sich bewusst ein Tänzerpaar aus, das mit Allison Brown, einer gestandenen kanadischen Choreographin, Tänzerin und Tanzerzieherin und mit einem jungen Alfredo Zinola, ebenso wie Lady Gaga 1986 geboren (und daher mit ihr verbunden), hervorragend besetzt war. Was letzteren gleichermaßen faszinierte wie mich, war die Tatsache, dass Allison Browns Körper viele Choreographien oder zumindest einige Moves davon erinnerte, welche sie in das Stück einfließen ließ. Es gibt eben auch im Tanztheater Moves, Bewegungen, die einer bestimmten Mode unterliegen. Spezialisten konnten auch den Madonna-Move der damaligen Zeit ausmachen, genauso wie sie diejenigen von nicht ganz so pop-kulturellen Richtungen ausmachen konnten.
Die Tanz-Performance begann mit Worten. Allison Brown auf der einen Seite, Alfredo Zinola auf der anderen, Ereignisse aus dem Jahre 1986 miteinander austauschend. Und nach einer Weile begann dann der Tanz... Eindrücklich. Gefangen nehmend. Mitreißend.
1986. Gerade hatte sich die schwule Welt emanzipiert, ist gesellschaftsfähig geworden - da kam AIDS auf, nun wurden Schwule wieder dämonisiert, angeprangert. 25 Jahre ist es her. 25 Jahre Aids-Prävention. Bald ist der 1.Dezember, der Welt-Aids-Tag. Der schwarze Tod. Der schnelle Tod. Die Epidemie. Zumindest zu Anfang. Allison und Alfredo stellten diesen Tod dar, dieses Schrecken, dieses Angeprangert sein, dieses Verdrängen wollen, diese dunkle Angst. Kriegt man Aids, wenn man sich küsst? Oder wenn man Hände schüttelt? Was gab es damals für Diskussionen, ein neues Schwulen-Bashing begann.
studio album, das die letzten drei Abende von 2+ im Mousonturm in Szene gesetzt wurde, war eine hervorragende, beeindruckende Tanz-Performance, die wir gerne wieder sehen möchten.
Und wie kam ich dazu, diese Tanz-Performance zu besuchen? Nun, meine Kehler Freunde sagen ja, dass man in Frankfurt anonym lebt, seine Nachbarn nicht kennt. Man denke nur an DAS. Doch ganz so ist das nicht, mal abgesehen davon, dass ich gar nicht ständig Kontakt mit meinen Nachbarn haben MÖCHTE. Zum Beispiel ist da Philipp, der mit seinem Freund über uns wohnt. Den treffe ich zum Beispiel bei Partys wie der Atomic im Nachtleben. Zum Geburtstag wurde ich auch eingeladen, nur konnte ich leider nicht. Schlechtes Gewissen hatte ich bis Freitag. Dann war ich aber bei der Tanz-Performance von 2+, welches eine Plattform für Tanz-, Performance- und Installationsprojekte von ihm und Celestine Hennermann ist. 2+ wurde 2004 von ihm (der jan Videokünstler und Bühnenbildner ist) gemeinsam mit dem Tänzer und Choreographen Christopher Roman gegründet, und seitdem realisiert er mit Celestine Hennermann modular verschiebbare Projekte zwischen Bühne und Installation. In den Arbeiten von 2+ werden die Ästhetik von Video mit Tanz, von Narration mit Bewegung und von Klang mit Bildern verbunden. Sehr spannend. Beide haben schon mit bedeutenden Größen des Tanztheaters zusammengearbeitet, Celestine war unter anderem Dramaturgin für William Forsythe am Frankfurter Ballett (2000 - 2005), Philipp hat ebenso mit ihm gearbeitet, aber auch mit Sasha Waltz & Guests und vielen anderen.
What kind of dream was this
So easy to destroy
And who are we to blame
The sins of the past
These slums of future...
(aus "Suburbia")
DJ Zootboy aus Karlsruhe liebt die Pet Shop Boys - als ich mit ihm zusammen wohnte, hörte er ständig CDs von ihnen, die er alle besaß (auch irgendwelche Raritäten aus UK und Japan). Er dachte lange Zeit, ich würde sie nicht mögen, weil ich mich über die billige Pop-Musik, die sie machten, belustigte... "Funny how potent cheap music can be. Never in a million years thought about working with them..." (sagte Dusty Springfield, die wegen "West End Girls" im Auto anhörend fast einen Unfall produzierte)... Bis DJ Zootboy eines Tages sagte: Sie geben ein Konzert in Ludwigshafen und ich, ohne darüber nachzudenken, sagte: Ja, ich komme mit - und er mich verwirrt anschaute... Diese Erinnerung habe ich an die Pet Shop Boys, an dieses Konzert, an "West End Girls" im Jahre 1986, dessen Beat ich erlegen war, mitsummte oder gar mitsang. Um Erinnerungen geht es auch in dieser Tanz-Performance namens "studio album". Gibt es ein kollektives Gedächtnis für politische und gesellschaftliche Ereignisse? Welche Ereignisse aus dem Jahr 1986 erinnert man? Spielte Tschernobyl für die Amerikaner eine Rolle? Wohl eher nicht. Und Sandoz? Was war da überhaupt? An beides konnte ich mich erinnern. Ich war damals 11. Und was ist mit Leuten, die nach 1986 geboren wurden? Welche Ereignisse sagen ihnen etwas? Philipp Bußmann und Celestine Hennermann suchten sich bewusst ein Tänzerpaar aus, das mit Allison Brown, einer gestandenen kanadischen Choreographin, Tänzerin und Tanzerzieherin und mit einem jungen Alfredo Zinola, ebenso wie Lady Gaga 1986 geboren (und daher mit ihr verbunden), hervorragend besetzt war. Was letzteren gleichermaßen faszinierte wie mich, war die Tatsache, dass Allison Browns Körper viele Choreographien oder zumindest einige Moves davon erinnerte, welche sie in das Stück einfließen ließ. Es gibt eben auch im Tanztheater Moves, Bewegungen, die einer bestimmten Mode unterliegen. Spezialisten konnten auch den Madonna-Move der damaligen Zeit ausmachen, genauso wie sie diejenigen von nicht ganz so pop-kulturellen Richtungen ausmachen konnten.
Die Tanz-Performance begann mit Worten. Allison Brown auf der einen Seite, Alfredo Zinola auf der anderen, Ereignisse aus dem Jahre 1986 miteinander austauschend. Und nach einer Weile begann dann der Tanz... Eindrücklich. Gefangen nehmend. Mitreißend.
1986. Gerade hatte sich die schwule Welt emanzipiert, ist gesellschaftsfähig geworden - da kam AIDS auf, nun wurden Schwule wieder dämonisiert, angeprangert. 25 Jahre ist es her. 25 Jahre Aids-Prävention. Bald ist der 1.Dezember, der Welt-Aids-Tag. Der schwarze Tod. Der schnelle Tod. Die Epidemie. Zumindest zu Anfang. Allison und Alfredo stellten diesen Tod dar, dieses Schrecken, dieses Angeprangert sein, dieses Verdrängen wollen, diese dunkle Angst. Kriegt man Aids, wenn man sich küsst? Oder wenn man Hände schüttelt? Was gab es damals für Diskussionen, ein neues Schwulen-Bashing begann.
studio album, das die letzten drei Abende von 2+ im Mousonturm in Szene gesetzt wurde, war eine hervorragende, beeindruckende Tanz-Performance, die wir gerne wieder sehen möchten.
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