Pontikaki kai gataki - Teil 4 -

Ich verschlief meinen eigenen Tod. Ich hörte diesen verdammten Wecker am Morgen nicht, müßig darüber zu urteilen, ob es Schicksal war, wie es Nike behauptet, oder purer Zufall. Zu spät aufgestanden, konnte ich es bei aller Eile nicht rechtzeitig an den Check-Inn schaffen, ich sah das Flugzeug gerade noch abheben, mit Tränen in den Augen, weil mich diese Reise ans Atlasgebirge in Marokko so viel Geld gekostet hatte. Dort wollte ich den Ort finden, an dem sich Nacht und Tag einander begegnen, wo Atlas das Himmelsgewölbe tragen und vor allem der Gott des Schlafes, Hypnos, nach Hesiod wohnen sollte. Hypnos war dank Nike mein Forschungsgegenstand in meiner Magisterarbeit in Gräzistik. Meine Eltern hatten vor Stolz tagelang nicht schlafen können, hatten alle Verwandten angerufen, damals, als ich ihnen meinen Studienwunsch mitteilte. Sie konnten kaum wissen, dass ich in der Nähe von Nike sein wollte, um sie weiter zu becircen, so lange bis sie eingesehen hatte, dass ich reifer geworden sei, dass ich sie bis an mein Lebensende lieben wolle, im Schlaf – aber vor allem in der wachen Zeit. Ihre Eltern hatten nicht ebensolche Luftsprünge gemacht, doch sie sagte ihnen, wer seiner Tochter einen solchen Namen gebe, dürfe sich über solcherlei Konsequenzen nicht wundern. Dieses Interesse für ihren eigenen Namen hatte ihr Lust auf mehr Mythengeschichten gemacht, so viel Lust, dass dies nun ihr Hauptinhalt im Studium werden solle. Und deine Zukunft? riefen ihre Eltern, was möchtest du damit später anfangen? Doch Nike zuckte nur die Schultern und siegte, wie immer, wie bei mir. Anfangs versuchte sie mir ihrerseits diesen Studienwunsch auszureden, ich hatte doch immer „dieses Griechische“ verleugnen wollen, brachte sie mir entgegen, wie könne ich nun… und warum, das wäre doch alles nur, weil… Wegen ihr, ja, wegen ihr, sie vermutete natürlich richtig, auch wenn ich ihr das niemals gesagt hätte. Doch ich erwiderte niemals etwas, ich zuckte ebenso mit den Schultern, ich war nicht fähig, ihre Maus zu sein, nicht in diesem sprichwörtlichen Sinne, nein, ich konnte ihr nicht Paroli bieten, ihr, die so klug, so gebildet, so belesen war, die mich mit ihren Worten wie ein Kindergartenkind dastehen lassen konnte. 


Als ich vom Flughafen zurückkehrte, legte ich mich erneut ins Bett, es war erst sieben Uhr morgens, viel zu früh, um den Tag tatsächlich zu beginnen. So lag ich in meinem Bett aus Ebenholz, wurde von meinem Radio mit den Zehn-Uhr-Nachrichten geweckt, noch ganz benommen hörte ich die Nachricht, dass das Flugzeug, das um halb sechs vom Frankfurter Flughafen in Richtung Marokko geflogen war, abgestürzt sei, alle Insassen und das Flugpersonal vermutlich tot, man habe noch keinen Anhaltspunkt, wie es zu diesem Flugzeugabsturz hatte kommen können. In der nächsten Minute rief mich Nike an, die mich zu diesem Forschungsgegenstand und zu dieser Reise gedrängt hatte, schließlich könne ich das ja wohl am besten von allem, schlafen, dann sollte ich mich auch damit beschäftigen. „Du hast verschlafen!“ schrie sie heraus. „Du hast verschlafen!“ Zufall, versuchte ich ihr entgegenzuhalten, doch die nächste halbe Stunde erzählte sie mir von ähnlichen Fällen, Koinzidenzen... Ich sagte ganz ruhig und langgedehnt: „Heiratest du mich?“ - „Ja.“ 
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