Der Open Mike 2011 - 2 -
In diesem Buch des Allitera Verlags sind alle Texte der Teilnehmer_innen des Open Mike 2011 zu finden. Das muss man sich ja mal vorstellen: Wir haben ein ganzes Buch GEHÖRT an zwei Nachmittagen in der WABE. Ganz unterschiedliche Texte, manche witzig, manche spannend, manche poetisch, manche experimentell, manche vielleicht zu gelehrig... Wir haben viel über Literatur geredet in der Publikums-Jury, heiß diskutiert. Ja, über Literatur urteilen heißt auch subjektiv sein, seinen eigenen Geschmack haben, manchmal nicht so genau wissen, warum man es gut findet. Manchmal muss man im Nachhinein Argumente für sein Werturteil suchen. Geschmäcker sind verschieden. Was der eine höchst interessant findet, zum Beispiel langatmige Naturbeschreibungen, überblättert der andere. Der eine mag eine Sprache, in der auch mal Anglizismen oder Jugendsprache-Ausdrücke vorkommen, der andere fragt sich, ob das in der Literatur sein muss. So ist jeder Jeck anders.
So kommen wir zu Meter Mütze, der leider keinen Preis gewann - und den ja nur einer favorisierte in der Publikums-Jury. Das war natürlich ich. Wieso? Meter Mütze ist für mich so wie ein Künstler im Jahre 2011 sein sollte, ein Performer, einer, der seine Kunst lebt, der auch mal über das Ziel hinausschießt, der auch mal etwas macht, was daneben ist, wie z.B. vor dem Lesen noch etwas über eine Performance zu erzählen, die er vor Kurzem in London gezeigt hat. Meter Mütze, der eine lustige Seite hat: http://mischgemuese.com/ Meter Mütze, der einen wirklich witzigen Text gelesen hat, der mir deswegen gefallen hat, weil ich die Hauptfigur und seine Welt sehr viel besser verstehe als manch eine Figur aus den anderen gelesenen Texte.
Bild aus: http://www.gezett.de/openmike2011/ |
Bild aus: http://www.gezett.de/openmike2011/ |
Auf dem Bild mit der Lektorin Petra Gropp vom S. Fischer Verlag in Frankfurt. Nur was sollte dieses Telefon? Ein Maskottchen? Hier ein Auszug aus seinem Text, den man im Buch nachlesen kann:
... In der Schulzeit war meine bronzene, formreine Haut alles, wofür ich wahrgenommen und in der Konsequenz verklärt wurde. Alle anderen waren Streuselkuchen. Nicht Menschen, sondern Restekuchen zweiter Klasse. Kinder als schonungslose Peer-Group-Klärwerker, Bäckermeister sozialer Bestimmung. Daumen rauf oder runter. Ich war Daumen rauf, ich war Dorian Gray; wir nahmen das Buch zu der Zeit im Englischunterricht durch. Keine proaktive Pubertät, keine Pickel, eine Maschine der Anmut. Kein Widerspruch, sondern die sophomore Metaebene der Kybernetik. ...
Ob Felicitas Hoppe ihn meinte, als sie bei den Worten der Autoren-Jury den Autor_innen mitgab: Macht, was ihr wollt, überlegt nicht so viel, schaut nicht so viel auf die Form, und vor allem seid nicht so gelehrig. Sie hatte den Verdacht, dass manche der Teilnehmer_innen zu viel lasen, zu verklemmt waren, sich selbst zu wenig Raum gaben. Dieser Punkt "Wasn-Angeber-was-der-alles-so-weiß-und-in-den_Text-reinbringt" war auch in der Publikums-Jury ein großes Thema. Schwierig. Was man dem einen abnimmt, nimmt man der andere übel. Meter Mütze fand ich ironisch, fand ich künstlerisch, fand ich cool. Andere teilten diese Einschätzung nicht. Dafür fand ich andere Texte nicht so cool. Die mir zu gelehrig, zu langweilig, zu öde vorkamen. Aber das gibt es immer. Es kann nicht sein, dass einem 22 Texte gefallen. Doch insgesamt war das Niveau dieses Jahr mit Sicherheit sehr hoch. Nachzulesen in der dazugehörigen Veröffentlichung.
Ein weiteres Zitat von Meter - Heinz Strunk für Arme - Mütze, der gerne mal über das Ziel hinaus schießt: "... Lena war pünktlich wie immer. Mir gegenüber schwang sie oft die eiserne Knute einer KZ-Aufseherin, aber ich brauchte das." Ein wirklich deutscher Rebell, der ausspricht, was andere sich nicht trauen. Wenn überall jeder irgendwie ein wenig Nazi ist, dann kann das mit den Nazis ja nicht so schlimm gewesen sein. Natürlich alles ironisch, versteht sich.
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