Gedanken über die Sprache

Dies ist nun der zweite Post-Tausch in der Geschichte des Schmerzwach-Blogs. Ich freue mich sehr, euch nun einen Post aus dem Blog http://stancerblog.blog.de/ zu präsentieren, denn Carsten, der Betreiber des Blogs, ist nicht nur ein eifriger Leser meines Blogs - was mich sehr freut -, sondern ein Mensch, der ganz witzig und pointiert schreibt, und manchmal sehr ähnlich wie ich denkt. :-) Wirklich saucool, dass er zum Posting-Tausch bereit ist, nachdem schon der sehr talentierte Basti mein Gast hier war. 

Die Sprache ist etwas wunderbares, ermöglicht sie uns doch in unvergleichlicher Weise durch Aneinanderreihung mannigfaltigster Wörter eine Art der Kommunikation, von der andere Spezies, zum Beispiel der gemeine Grottenolm, nur träumen können (so fern Grottenolme überhaupt träumen, ist das mal untersucht worden, wenn ja, warum?). Ich möchte sogar so weit gehen, zu behaupten, die Sprache ist eine Grundfeste der menschlichen Intelligenz, auch wenn das bei der Betrachtung von „Bauer sucht Frau“, „Deutschland sucht den Superstar“ und ähnlicher zivilisatorischer Randerscheinungen nicht auf Anhieb deutlich wird; ohne unsere Sprache säßen wir vermutlich noch auf Bäumen und hätten weder das Rad noch den Laubbläser erfunden.

Damit nicht genug: aus Sprache lassen sich ausgezeichnete Kunstwerke erschaffen, man denke nur an Goethe, Thomas Mann, Wilhelm Busch, Heinz Erhard und Mario Barth (finde den Fehler, Anm. d. Red.); nicht selten bietet das geschriebene wie gesprochene Wort kulturelle Hochgenüsse ähnlich einer Sinfonie oder Marianne Rosenberg.

So weit so gut.

Doch kann die Sprache statt des vorgenannten Genusses auch eine Belästigung darstellen. Beim Geschriebenen bewegt sich diese zumeist noch in erträglichen Grenzen: Nehmen Sie diesen Text, Sie können ihn getrost ignorieren, womit sich die Belästigung, welche von ihm ausgeht, minimiert. Anders hingegen die Sprache in ihrer ursprünglichen Form des gesprochenen Wortes, welches stets mit einer Geräuschentwicklung einher geht, der kaum zu entkommen ist.

Morgens in der Bahn: Mit einer der Tageszeit angemessenen Übellaunigkeit finde ich einen freien Sitzplatz und packe mein Buch aus, um nicht die Gesichter der Mitreisenden betrachten zu müssen. Nächste Haltestelle: Hauptbahnhof. Hier fallen sie ein, die Bahn wird zum Bersten voll, mir gegenüber nehmen zwei Personen Platz, ein Mann im Anzug und eine Frau im Kostüm, offenbar Kollegen, und nehmen sogleich das Gespräch auf über das Projekt, Zeitplan, Performance, Ressourcen, sich gegenseitig immer wieder mit „Okay“ und ähnlichem Verbalunrat bestätigend. Das ist schlimm.

Schlimmer ist, wenn statt der beiden unbekannten Personen plötzlich meine Kollegin Christine gegenübersitzt und das Gespräch sucht, und zwar mit mir. Damit kein Missverständnis entsteht: ich mag Christine sehr, sie ist ein herzensguter Mensch, sympathisch, stets gut gelaunt. Und genau das ist das Problem: ihre stets gute Laune bricht sich Bahn in zahlreichen Worten, welche sie ohne Rücksicht auf meine morgendliche Befindlichkeit auf mich niederprasseln lässt, und da ich ein höflicher Mensch bin, kann ich den verbalen Niederschlag nicht völlig unbeantwortet vorüberziehen lassen, wenigstens ein gelegentliches „Ja...“ oder „Hm...“ muss ich ihr schon gönnen, auch wenn mich um diese Zeit weder berufliche Dinge noch ihre Katze interessieren.

Ein weiterer Ort sprachlicher Belästigung ist der Aufzug. Da ich in einem Hochhaus arbeite, kann ich dem nicht entgehen. Die schlimmsten Zeitgenossen sind die, die meinen, im Aufzug witzig sein zu müssen, können sie sich doch ihres Publikums sicher sein, niemand kann der Kabine vorzeitig entkommen. So ringt man sich ein gequältes Lächeln ab und steigt bei nächster Gelegenheit aus, Treppensteigen soll ja angeblich gesund sein. Ich wünsche mir in Aufzügen eine Automatik, die augenblicklich ohrenbetäubende Rockmusik in Gang setzt, sobald jemand auch nur den Mund aufmacht.

Das alles ist natürlich nichts gegen Menschen, die gar kein Gegenüber aus Fleisch und Blut benötigen, um zu sprechen; die Mobiltelefonie macht es ihnen möglich, einen ganzen Eisenbahnwaggon zu unterhalten durch ein Gespräch mit einer Person, die sich gerade in einem anderen Erdteil befindet. Ein solcher Mensch ist unser Nachbar: auch bei geschlossenen Fenstern hört man ihn schon von weitem kommen, wenn er in die Straße einbiegt, sich dem Haus nähert, die Treppe im Hausflur hochgeht; man hört ihn noch plappern, wenn er längst seine Wohnungstür hinter sich geschlossen hat. Ich glaube, er kann nichts dafür, es ist einfach sein Schicksal, stets von einer Klangwolke umgeben zu sein.

Da sich die oben genannte Rockmusik-Automatik in Aufzügen wohl nicht durchsetzten wird, schlage ich eine andere Lösung vor: ein generelles Redeverbot an Orten, wo andere Menschen unschuldig gezwungen sind, mitzuhören, wie eben Busse, Bahnen und Aufzüge. Neben den bereits vorhandenen Verbotsschildern für den Verzehr von Speiseeis oder die Benutzung im Brandfalle könnte ein Symbol nach folgendem Muster die gesetzlich verankerte Sprachlosigkeit durchzusetzen helfe






Ich erkläre mich hiermit bereit, meine Designrechte an dem Symbol den maßgeblichen gesetzgebenden Stellen gegen ein geringes Honorar zur Verfügung zu stellen. 

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