Teil 1: Gefährliche Liebschaften: Formwandler und Homosexualität in „Star Trek: Deep Space Nine“ aus einer queeren Perspektive

Unter Einbeziehung eines Textes von Uta Scheer schildere ich eine Folge von „Deep Space Nine“ aus einer queeren Perspektive.
Die „Star Trek“-Fernsehserien versprechen eine bessere Zukunft – ein Universum, in dem Diskriminierungen auf Grundlage von Rasse, Geschlecht oder der sexuellen Orientierung als überwunden gelten oder, wenn doch noch vorhanden, erfolgreich bekämpft werden. Und gerade diese Einstellung gilt als entscheidend für den weltweiten Erfolg von „Star Trek“ – und einer bis dato einmaligen, globalen Fankultur, inklusive vieler queerer Fans. Aber verwirklicht „Star Trek“ sein Versprechen in Hinsicht auf die science-fictionalisierte Repräsentation von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Transgenders und gelebter Sexualität, die nicht heteronormativen Standards entspricht? Um diese Frage zu beantworten, analysiert die hessische Kulturwissenschaftlerin Uta Scheer eine Episode namens „Chimera“ aus der dritten „Star Trek“-Serie „Deep Space Nine“.
Zunächst unterstreicht Scheer noch einmal die wichtige politische Bedeutung der Repräsentationen nicht-heteronormativer Sexualität für die Gesellschaft, stellt aber gleichzeitig fest, dass das Aufkommen von schwulen oder lesbischen Charakteren nicht zwangsläufig eine Verbesserung der Situation von Homosexuellen darstellen muss. Dann nämlich nicht, wenn Homosexuellen bestimmte diffamierende Verhaltensweisen zugeschrieben werden, die das negative Bild in der Öffentlichkeit verfestigen. Studien belegen, dass solche teilweise subtilen Diffamierungen selbst von Homosexuellen übernommen und reproduziert werden.
Scheer stellt heraus, dass es Parallelitäten zwischen Queer studies und Science Fiction gibt, denn in beiden Bereichen reflektiert und kritisiert man gegenwärtige Selbstverständlichkeiten oder muss Dinge akzeptieren, die dem „gesunden Menschenverstand“ widersprechen. Trotz allem musste man bei „Star Trek“ lange Zeit auf eine schwule, lesbische oder transsexuelle Figur warten, während solche Charakteren in vielen anderen amerikanischen Serien bereits einen Platz eingeräumt wurde.
Dass nun die erste Affäre zwischen zwei Männern, die in einer Episode von Deep Space Nine gezeigt wird, ausgerechnet zwischen zwei Formwandlern geschieht, ist kein Zufall. Formwandler sind eine Spezies, deren Angehörige ihre flüssige Ausgangsform in jegliche andere Form (organisch, anorganisch etc.) umwandeln können. Besonders berühmt sind sie dafür, dass sie Individuen anderer Spezies perfekt imitieren können. Bezeichnend allerdings ist, dass die geschlechtslosen Formwandler in dieser Serie sich als Mann und Frau materialisieren müssen, um das immanente System der Zweigeschlechtlichkeit zu garantieren. So wie der weibliche Körper in patriarchalischen Gesellschaften im Gegensatz zum männlichen Pendant als flüssig und instabil präsentiert wird, gar als chamäleonartig in seiner Fähigkeit seine Form zu wandeln, kann also der Formwandler im Science-Fiction als weiblich konnotiert werden. Formwandler kamen vor allem in der McCarthy-Ära in den 50ern in vielen Science-Fiction-Filmen vor. Meist wurden sie als Metaphern für die Bedrohung durch verdeckt in Nordamerika lebende Kommunisten interpretiert. Aber die Wissenschaftlerin Pearson führt aus, dass sie ebenso als Warnungen vor den Gefahren männlicher Homosexueller für die westliche Gesellschaft gelesen werden kann: Sowohl der Kommunist als auch der männliche Homosexuelle waren, anders als Frauen und nicht-weiße Menschen, körperlich nicht markiert.
Eine weitere Vorbemerkung der Autorin Scheer betrifft den „Public Sex/ Gay Sex“-Diskurs. Dieser heteronormative Diskurs handelt von „schlechten“ oder „bösen“ Queers, die Sex in der Öffentlichkeit haben und dabei „unschuldige“ Heterosexuelle gefährden, und „guten“ Queers, die das nicht sichtbar machen. Der öffentliche Raum wird dabei als nicht-sexuell und neutral konstruiert. Als legitimes Subjekt dieses öffentlichen Raumes fungiert der „public citizen“, der der Mittelklasse angehört, männlich, weiß und heterosexuell ist. Im Grunde genommen wird jedem Homosexuellen, der sichtbar in unserer Gesellschaft lebt, vorgeworfen in diesen öffentlichen Raum einzudringen und seine/ ihre sexuelle Ausrichtung auszuleben, während heterosexuelle Praxen, Strukturen und Identitäten aufgrund ihres vorherrschenden Charakters nicht als Sexualität wahrgenommen werden.

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