Auf die eine oder andere Weise - Teil 2
Natürlich stand ich plötzlich wie paralysiert da, schließlich hatte ich ihn nie vergessen können und sehnte mich noch immer nach ihm. Er hingegen schien ganz Herr der Lage, strahlte mich sofort an, küsste mich unverhofft auf den Mund. Ich wähnte mich im Siebten Himmel.
Schicksal, dachte ich. Auf die eine oder andere Weise. Das Leben spielt seltsame Streiche, sagt man.
Wenn mich jemand fragt, wieso ausgerechnet mir ständig solche Dinge passieren, kann ich keine Antwort geben. Vermutlich gibt es ein paar wenige Menschen wie mich, die noch nicht einmal die Straße überqueren können, ohne dass ihnen etwas Wunderliches zustößt. Tatsächlich ist es so, dass mir jeden Tag so vieles passiert, dass ich mit dem Erzählen nicht nachkomme. Und entgegen der logischen Schlussfolgerung, dass daher gar nichts eine Bedeutung für mich haben dürfte, ist genau das Gegenteil der Fall: Ich messe jedem Erlebnis eine große Bedeutung bei.
Das macht mich etwas überreizt, so wie bei Nichtstillen eines Hungers, aber vor allem komme ich auch mit der Reflektion nicht mehr nach, weswegen viele Dinge einfach aus meinem Blickfeld verschwinden.
Er schaute mich an, endlich satt gegessen und jetzt wieder ein schöner Anblick. „Tut mir Leid, dass ich dich da so reingezogen habe. Du weißt nicht, was ich alles erlebt habe.“ Das stimmte. Ich kannte ihn nicht und ich konnte mir auch nichts darunter vorstellen. Keine Vermutung. Nur Neugier. „Ich bin seit mehr als dreißig Stunden unterwegs jetzt. Du glaubst gar nicht, was in dieser Zeit alles passiert ist, oder auch nicht.“ Meine Antwort war etwas eindimensional und vorhersehbar, doch er ließ sich davon nicht beirren. Als ich ihn so anschaute, dachte ich, dass er aufgeregt wie ein kleines Kind redete, dabei süß die Nase kräuselte und leicht mit den Augen blinzelte. Das machte ihn sehr liebenswert und entsprach so gar nicht meinem ersten Eindruck. Ein bisschen fror ich, aber andererseits fand ich es schön, hier in München neben diesem Typen zu sitzen.
Der Abend mit meinem Ex-Freund, der mir im ersten Moment wie vom Himmel geschenkt vorkam, war selbstverständlich genauso enttäuschend wie das Ende unserer Beziehung. Er stahl sich erneut davon, nicht der Rede wert, ein Typ wie ein Schrank, so wie der Mann, für den er mich verlassen hatte. Ich hatte mich schon immer gefragt, was er an mir schmächtigem sensiblen Jungen gefunden hatte. Immerhin war ich seine längste Beziehung, und das mit Abstand. Doch diesmal habe ich nicht wie sonst reagiert, ich wurde nicht traurig und gab mir mit Alkohol den Rest, nein, ich ging auf einen Typen zu, sagte ihm, dass meine Begleitung fort sei und ich eine neue suche, und er, bass erstaunt, sagte: na, okay, dann bin ich deine neue Begleitung.
„Der Typ war übrigens mein Ex-Freund“, sagte er, und ich verstand ihn nicht. Ich wusste nicht, was er meinte, dieser gut aussehende Dieb. „Nun, mit dem du vorhin getanzt hast, eng umschlungen, mit strahlenden Augen. Und der dich dann nicht mit nach Hause nahm. Was übrigens nicht an dir liegt, sondern daran, dass ich noch nicht aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen bin.“
So verwirrt kann niemand auf der Welt jemals gewesen sein, dachte ich. Auf die eine oder andere Weise. Aber nicht auf diese krasse.
Noch immer verdutzt schaute ich ihn an. „Du hast mich nicht wahrgenommen. Ich habe euch kurz beobachtet vorhin. Nachdem ich kurz auf der Toilette war, fand ich euch nirgends mehr. Erst als ich dich beinahe umgerannt hatte, sah ich dich wieder. Ohne meinen Ex-Freund, der niemals jemanden mitnimmt. Wer weiß warum. Mir würde es nichts ausmachen.“
In der Großstadt passieren merkwürdige Dinge. Es ist anders als in kleinen Dörfern. Gerade weil man so viel Angst davor hat, dass jeder von allem erfährt, strengt man sich an und lässt es nicht dazu kommen, jeden Schabernack zu treiben. In der Großstadt fühlt man sich sicher, anonym, aber aus einem Grunde, der einer inneren Logik entspricht, mir sich aber nicht erschließt, passiert dann der Effekt, den man im Dorf erwartet, aber nicht in so einer großen Stadt: Jeder weiß alles und kriegt noch mehr mit.
Er übernahm das Gespräch, was mir nichts ausmachte, denn ich dachte über den Verlauf des Abends nach und fragte mich, was ich anders hätte machen können oder wollen. Als ich wohl zu sehr in Gedanken abdriftete, schubste er mich. „Ich habe dich gerade etwas gefragt“, sagte er. Er lächelte mich an. „Nein“, war meine Antwort, als er nochmals neu ansetzte. Nein, sein Ex-Freund interessierte mich nicht. Ich hatte einfach keine Lust, alleine zu tanzen, alleine mein Bier zu trinken, alleine in der Disco zu stehen.
Es gibt Städte, in denen man den ganzen Abend alleine in einem Club stehen kann, in München, in Frankfurt, in … Aber in anderen Städten wird man angesprochen, in Köln, in Berlin manchmal…
Schicksal, dachte ich. Auf die eine oder andere Weise. Das Leben spielt seltsame Streiche, sagt man.
Wenn mich jemand fragt, wieso ausgerechnet mir ständig solche Dinge passieren, kann ich keine Antwort geben. Vermutlich gibt es ein paar wenige Menschen wie mich, die noch nicht einmal die Straße überqueren können, ohne dass ihnen etwas Wunderliches zustößt. Tatsächlich ist es so, dass mir jeden Tag so vieles passiert, dass ich mit dem Erzählen nicht nachkomme. Und entgegen der logischen Schlussfolgerung, dass daher gar nichts eine Bedeutung für mich haben dürfte, ist genau das Gegenteil der Fall: Ich messe jedem Erlebnis eine große Bedeutung bei.
Das macht mich etwas überreizt, so wie bei Nichtstillen eines Hungers, aber vor allem komme ich auch mit der Reflektion nicht mehr nach, weswegen viele Dinge einfach aus meinem Blickfeld verschwinden.
Er schaute mich an, endlich satt gegessen und jetzt wieder ein schöner Anblick. „Tut mir Leid, dass ich dich da so reingezogen habe. Du weißt nicht, was ich alles erlebt habe.“ Das stimmte. Ich kannte ihn nicht und ich konnte mir auch nichts darunter vorstellen. Keine Vermutung. Nur Neugier. „Ich bin seit mehr als dreißig Stunden unterwegs jetzt. Du glaubst gar nicht, was in dieser Zeit alles passiert ist, oder auch nicht.“ Meine Antwort war etwas eindimensional und vorhersehbar, doch er ließ sich davon nicht beirren. Als ich ihn so anschaute, dachte ich, dass er aufgeregt wie ein kleines Kind redete, dabei süß die Nase kräuselte und leicht mit den Augen blinzelte. Das machte ihn sehr liebenswert und entsprach so gar nicht meinem ersten Eindruck. Ein bisschen fror ich, aber andererseits fand ich es schön, hier in München neben diesem Typen zu sitzen.
Der Abend mit meinem Ex-Freund, der mir im ersten Moment wie vom Himmel geschenkt vorkam, war selbstverständlich genauso enttäuschend wie das Ende unserer Beziehung. Er stahl sich erneut davon, nicht der Rede wert, ein Typ wie ein Schrank, so wie der Mann, für den er mich verlassen hatte. Ich hatte mich schon immer gefragt, was er an mir schmächtigem sensiblen Jungen gefunden hatte. Immerhin war ich seine längste Beziehung, und das mit Abstand. Doch diesmal habe ich nicht wie sonst reagiert, ich wurde nicht traurig und gab mir mit Alkohol den Rest, nein, ich ging auf einen Typen zu, sagte ihm, dass meine Begleitung fort sei und ich eine neue suche, und er, bass erstaunt, sagte: na, okay, dann bin ich deine neue Begleitung.
„Der Typ war übrigens mein Ex-Freund“, sagte er, und ich verstand ihn nicht. Ich wusste nicht, was er meinte, dieser gut aussehende Dieb. „Nun, mit dem du vorhin getanzt hast, eng umschlungen, mit strahlenden Augen. Und der dich dann nicht mit nach Hause nahm. Was übrigens nicht an dir liegt, sondern daran, dass ich noch nicht aus unserer gemeinsamen Wohnung ausgezogen bin.“
So verwirrt kann niemand auf der Welt jemals gewesen sein, dachte ich. Auf die eine oder andere Weise. Aber nicht auf diese krasse.
Noch immer verdutzt schaute ich ihn an. „Du hast mich nicht wahrgenommen. Ich habe euch kurz beobachtet vorhin. Nachdem ich kurz auf der Toilette war, fand ich euch nirgends mehr. Erst als ich dich beinahe umgerannt hatte, sah ich dich wieder. Ohne meinen Ex-Freund, der niemals jemanden mitnimmt. Wer weiß warum. Mir würde es nichts ausmachen.“
In der Großstadt passieren merkwürdige Dinge. Es ist anders als in kleinen Dörfern. Gerade weil man so viel Angst davor hat, dass jeder von allem erfährt, strengt man sich an und lässt es nicht dazu kommen, jeden Schabernack zu treiben. In der Großstadt fühlt man sich sicher, anonym, aber aus einem Grunde, der einer inneren Logik entspricht, mir sich aber nicht erschließt, passiert dann der Effekt, den man im Dorf erwartet, aber nicht in so einer großen Stadt: Jeder weiß alles und kriegt noch mehr mit.
Er übernahm das Gespräch, was mir nichts ausmachte, denn ich dachte über den Verlauf des Abends nach und fragte mich, was ich anders hätte machen können oder wollen. Als ich wohl zu sehr in Gedanken abdriftete, schubste er mich. „Ich habe dich gerade etwas gefragt“, sagte er. Er lächelte mich an. „Nein“, war meine Antwort, als er nochmals neu ansetzte. Nein, sein Ex-Freund interessierte mich nicht. Ich hatte einfach keine Lust, alleine zu tanzen, alleine mein Bier zu trinken, alleine in der Disco zu stehen.
Es gibt Städte, in denen man den ganzen Abend alleine in einem Club stehen kann, in München, in Frankfurt, in … Aber in anderen Städten wird man angesprochen, in Köln, in Berlin manchmal…
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