„Die schwarze Spinne“ heute und die Ohnmacht um Fukushima

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Der Teufel – aktueller denn je
In einer Welt, in der der Glauben scheinbar immer weniger eine Rolle spielt, ist es verwunderlich, wieso der Teufel auch heute so oft in Filmen und Büchern auftaucht. Gerade läuft in den Kinos „The Rite – Das Ritual“, in dem wahren Begebenheiten folgend die Praxis der Teufelsaustreibung in der Katholischen Kirche dargestellt wird. Die größten Schauspieler verkörperten den größten Gegenspieler Gottes: beginnend beim unvergessenen Gustaf Gründgens im „Faust“, über Jack Nicholson im Kultfilm „Die Hexen von Eastwick“, Al Pacino in „Im Aufrag des Teufels“ oder Tom Waits in „Das Kabinett des Doktor Parnassus“, dem letzten Film des 2008 verstorbenen Heath Ledger. In für das Genre wichtigen Horrorfilmen wie „Rosemaries Baby“, „Der Exorzist“, „Carrie – Des Satans jüngste Tochter“ und in neuerer Zeit „Der Exorzismus von Emily Rose“ oder „Requiem“ spielte er eine wichtige Rolle.
Faszination Teufel
Der Teufel scheint eine Faszination auf Menschen auszuüben. In einer Welt der Dualität braucht es eine Gegenfigur für Gott. Doch ohne an Gott zu glauben, lässt sich schwer an den Teufel glauben. In einigen Taufliturgien gibt es nach wie vor Exorzismen. Man ruft Gott an, dass der Säugling nicht in Versuchung gerät, dem Teufel zu dienen. Der Herr wird gebeten, jeden unreinen und bösen Geist von dem Kind zu treiben. Exorzismen bilden eine eigenständige Welt des geistlichen Kampfes. Früher brauchte man die Geistlichen dazu, heute müssen Therapeuten gegen die inneren Kämpfe der Menschen antreten.
von Reclam übernommen
Jeremias Gotthelf und seine „Schwarze Spinne“
Gotthelf hat den Stoff dieser Novelle einer über sechshundert Jahre alten Sage entnommen, die aus der Zeit der Pest stammt, und ihn in den Rahmen einer Tauffeier auf einem Großbauernhof gestellt. Diese Sage erzählt von einem brutalen Ritter (von Stoffel), der seine leibeigenen Bauern ausbeutet, die sich dann in ihrer Not mit dem Teufel verbünden. Dieser verlangt ein ungetauftes Kind als Gegengabe, und eine landfremde Frau (Christine) schließt mit dem Bösen den Pakt. Sie gebiert aber ab diesem Zeitpunkt immer wieder das Böse in Form von schwarzen Spinnen. Gotthelf gestaltet die Sage zu einem weltgerichtlichen Bild aus. Er setzt ihr die Darstellung der geordneten Welt am kirchlichen Feiertag, die Harmonie der bäuerlichen Lebensordnung, die aus echtem christlichen Glauben erwächst, entgegen.
Tiere und Naturkatastrophen
Gotthelf prangert Hoffart, Stolz und Herrschsucht an, die Herrschaft derselben macht es erst möglich, dass der grüne Jäger und die Spinne unter den Bauern weilen können. Die Menschen verschließen sich oft in ihrer Verblendung dem Willen Gottes, anfangs sind das die Ordensritter und später die Bauern selbst.
Die Welt ist verdorben von Grund auf, aber sie kann durch das Gute gerettet werden. Gut zu handeln ist jedem von Gott gegeben, er braucht es nur zu wollen. Gotthelf beschreibt die Häuser der Menschen, die Natur, die diese umgibt, sehr präzise und liebevoll, lange Sätze über das Essen und das Mobiliar reihen sich aneinander. Auch die Tiere haben eine wichtige Rolle, die stolzen Hühner und die schönen Tauben, die wilden Hunde der Ritter, die brüllenden Ochsen, die feurigen Eichhörnchen oder gar die Spinne. In ihnen offenbart sich der Mensch als „das grausenhafteste der Tiere“, wie Gotthelf einmal formuliert. Deswegen wird auch Christine nicht zufällig zur Spinne. Von daher ist es auch kein Wunder, dass der Teufel im Jäger, dem Gefährten der Tiere, versinnbildlicht wird. Bei Gotthelf ist die Pervertierung der Sorge um das Diesseits, die den einzelnen und die Gemeinschaft letztlich sogar zum Verrat an Gott treibt. Gotthelf scheint den inneren, seelischen Kampf des einzelnen in die äußere Handlung der Naturgewalten zu verlegen, in den Unwettern spiegelt sich die Haltung Gottes dem Menschen gegenüber.
von www.lalsace.fr entnommen
„Die schwarze Spinne“ heute und die Ohnmacht um Fukushima
Naturkatastrophen, um den Bezug wieder auf die Gegenwart zu legen, sind heute aktueller denn je. Viele fragen sich in Zeiten von „Fukushima“ nach der eigenen Schuld an diesen Umweltkatastrophen. Sie fühlen sich angesichts dieser Ereignisse ohnmächtig, diejenigen, die die „Macht haben“ entscheiden, um des Geldes willen entscheiden sie so, wie sie es tun, scheinbar ohne sich den Konsequenzen bewusst zu sein. Politiker entscheiden sich für Kernkraftwerke oder dagegen, je nachdem, ob sie gerade einer mächtigen Atom-Lobby gefallen oder eine Wahl gewinnen müssen. In der 1842 geschriebenen Novelle stellt sich die Frage nach der Schuld der Bauern am Einbruch des Unheils: sie sind unfreie Hörige, ängstlich, naiv und gutgläubig. Weil sie sich in ihrer Not nicht zu helfen wissen, werden sie zu einer leichten Beute des Jägers. Aus der Angst, die sie bedroht, entstehen Zorn und Wut gegen die Angst bereitende Ursache, von Stoffeln und die anderen Ritter, durch deren Unterdrückung werden die Bauern ebenso selbstsüchtig, feige und hinterhältig, sie versuchen die Verantwortung auf andere zu schieben. Sie sind sogar bereit, Christine, die den Pakt mit dem Teufel schließt, zu töten, obwohl sie diesen Pakt im Innersten genauso gewollt hatten wie sie. Sie hören nicht auf die mahnenden Worte des Priesters. Wer hört heute auf die Mahner? Wer verhindert heute diese Handlungen, die solche Katastrophen nach sich ziehen?
„Die schwarze Spinne“ - Lesen oder nicht lesen?
Vielleicht schreckt der eine oder andere zurück vor einem Werk, das 1842 geschrieben wurde, vielleicht aus der Angst heraus, dass es zu kompliziert sein könnte. Doch dem ist nicht so. Gerade sein Schreibstil und seine Beschäftigung mit den einfachen Menschen hat Jeremias Gotthelf den Ruf eines „Volks-Schriftstellers“ beschert. Meiner Meinung nach ist er allerdings viel zu unterschätzt: diese Novelle zieht einen in den Bann, man möchte das Buch gar nicht mehr weglegen und es kann durchaus sein, dass man es eventuell einem Teufels-Film vorziehen mag.

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