So finster die Nacht

Es war im letzten Jahr. 2008. Der letzte Tag des Museumsuferfestes. Gleichzeitig das Fantasy Film Fest in Frankfurt. SO FINSTER DIE NACHT von Regisseur Thomas Alfredson läuft auf dem Festival. Ich gehe alleine hin. Meine Freunde wollen lieber feiern gehen. Ihr Pech! Denn während ich diesen Film anschaue, breitet sich in mir ein wohliges Gefühl in der Stirn aus. Kennst du dieses Gefühl? So wie beim Yoga oder bei einer Meditation.
Und nun habe ich das Buch von John Ajvide Lindquist gelesen, die Romanvorlage für den Film.
Natürlich, jetzt heißt es: Sicher war das Buch viel viel besser als der Film. Doch ich bin der Meinung, dass man Birnen und Äpfel nicht miteinander vergleichen sollte. Niemand käme z.B. auf die Idee den Geschmack einer Granny Smith mit dem der Pastorenbirne zu vergleichen. So haben Bücher und Filme ganz eigene Möglichkeiten und Begrenzungen. Sie sind ganz unterschiedliche Medien, die verschieden funktionieren. Filme können nicht an unser ureigenes Kopfkino heranreichen. Natürlich hat jeder seine eigenen Bilder im Kopf, die kein Regisseur in einen Film bannen kann. Jeder Menscht hat beim ersten Mal lesen seine eigenen Verknüpfungen und Bilder im Kopf. Im Film sehen die Schauspieler/innen anders aus, auch die Landschaften. Einzelne Szenen, die mich zum Schmunzeln bringen, werden weggelassen, andere aufgemotzt. Das ist eben so.
Bei SO FINSTER DIE NACHT kann man entdecken, dass sowohl der Film als auch das Buch grandios sind. Beide sind ungewöhnlich. Der Film ist eine absurde Mischung eines Astrid Lindgren-Stoffs mit einem reinrassigen Horrorfilm. Um es cineastischer auszudrücken: Er verbindet auf den ersten Blick zwei sehr unterschiedliche Genres miteinander, den Vampir- und den Coming-of-Age-Film. Thomas Alfredson schafft es die spröde, winterliche Atmosphäre des Vorortes Blackeberg mit all seinen sozialen Verwerfungen abzubilden. Sowohl der Film als auch das Buch sind Milieu-Studien, ohne jedoch die Horror-Komponente außer Acht zu lassen. Spannung wechselt sich mit Romantik und Dramatik ab. Im Buch tauchen Elemente des Kriminalromans mit Bildungsromanen und Sozialstudien auf.
Spannend an all dem ist, dass der Gedanke der Vermischung von Vampir-Legende und jugendlichen Außenseitern gar nicht so fern liegt. Liegt ihnen doch beiden die Erforschung der eigenen Identität und das Anderssein zugrunde. Beim Anderssein wird der größte Unterschied zwischen den beiden Medien deutlich. Um den Film nicht noch komplexer zu gestalten, verzichtet Alfredson im Film weitestgehend auf der homosexuellen Komponente der Geschichte. Nur sehr subtil wird auch im Film klar, dass die vermeintliche Heldin Eli keine genuin weibliche Geschlechtsidentität besitzt. Eli ist nicht etwa die Abkürzung für Elisabeth oder Eliane, sondern für Elias. So dass nicht nur die Frage nach der glechgeschlechtlichen Ausrichtung der "Liebesbeziehung" von Oskar und Eli gestellt werden kann.
Nein, im Roman wird es noch viel deutlicher: Hakan, der vermeintliche Vater Elis ist nicht tatsächlich der Vater. Vielmehr ist er ein pädophiler Lehrer, der sich in Elias verliebt. Er wird für Eli zum Mörder, besorgt ihr/ihm das nötige Blut. Er geht sogar noch weiter: Er verstümmelt sich selbst für diese Liebe, wird zum Monster, das später aufgehalten werden muss. Hakan ermordet nur Jungs, denen er im Wald auflauert oder auch im Schwimmbad. Lindqvist schafft es in den entsprechenden Szenen nicht nur, das grausige Töten klar und präzise zu formulieren, sondern auch die perverse Lust, die sie dem Mörder bereitet.
SO FINSTER DIE NACHT oder LAT DEN RÄTTE KOMMA bzw. LET THE RIGHT ONE COME IN ist aus mehreren Gründen sehr spannend. Die Dialoge nie kitschig, die Atmosphäre düster, die Spannung mitunter fast unerträglich....

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