Gestern morgen in Mainz...

... musste ich mich schwer wundern. Ich habe es also gut getan, man merkt mir meinen "Migrationshintergrund" nicht an, YEAH, ich bin so deutsch, habe ja auch keinen Akzent, sehe gar nicht so aus, und meine Argumente sind auch noch vernünftig, YEAH, ich bin wohl "integriert", ja, ich bin vielleicht sogar "assimiliert", ich musste mich wirklich schwer wundern. Dabei muss ich diesen Menschen, der mir das sagte, nicht ernst nehmen, ich meine, wer versucht in einer Runde von Experten diejenigen mit Migrationshintergrund abzuzählen... du hast MIHIGRU, du nicht, du schon, du nicht, du nicht, du hast... Dabei sprach er ja noch nicht einmal etwas Falsches an, nein, im Gegenteil, er sprach an, dass in diesem Bereich "Arbeit zu Integration und Migration" so viele "Deutsche" arbeiten und so wenig mit MIHIGRU. Nun, erstes Problem: die Integrationisten reden gerne einmal davon, wie man "diese Menschen dazu bringen könnte, zu unserer Beratung zu kommen". "Diese Menschen" also, wir sind die und das sind diese anderen Menschen, die erst so wie wir werden müssen, indem wir sie auf unseren Stand bringen. Zweitens hört man nicht nur die Verachtung bei manchen Integrationisten heraus (und die Tatsache, dass sie NICHT in einer Gesellschaft der Vielfalt leben), sondern auch, dass sie mit ihren Projektionen und mit ihren eigenen Profilneurosen "diese Menschen" brauchen, um sich selbst zu erheben, um sich wertvoll und gut halten zu können.
Das nächste Problem war dann, dass ich dann der "typisch westlichen Dekonstruktion von Kultur" bezichtigt, ein dummer Möchtegern-Intellektuellen-Gedanke, und dass nur, weil ich sagte, dass es mir ärgere, wenn man sage, "die Türken", die "Muslime", als wäre das ein Einheitsbrei und alle gleich, ganz einmal von dem Fakt abgesehen, dass es verschiedene Richtungen im Islam gibt, dass manche Türken vielleicht auch Christen sind, oder ungläubig, manche vielleicht gläubig, aber nicht praktizierend, manche konservativ, manche liberal, ganz davon abgesehen sind es auch Individuen. Aber gut, DAS meinte ich ja nicht, sondern dass eben "Kultur" ein streitbarer Begriff sei, dass er auf jeden Fall dynamisch zu gebrauchen ist, dass sich eine Kultur durch äußere und innere Einflüsse entwickelt, dass es keine "die deutsche Kultur" geben kann, und vor allem wollte ich auch damit sagen, dass ich gegen Zuschreibungen bin, die nicht haltbar sind, die konstruiert sind, die erst seit recht kurzer Zeit so publiziert werden und im Anschluss immer wieder reproduziert werden. Was macht das für einen Sinn zu sagen, dass Badener eher langsam sind, träge? Es sind welche so, viele aber nicht. Deutsche nicht "gastfreundlich" wie Südländer? Wieso sollte das so sein? Es gibt herzensgute gastfreundliche Menschen aus Deutschland, wieso auch nicht? Es gibt die Tendenz, dass Gastfreundschaft als Wert in manchen Gesellschaften der Welt höher geschätzt wird als in anderen, was sicherlich auch mit der Geschichte der Gesellschaft zu tun hat, mit dem Aufbau der Gesellschaft (kollektivistische Strukturen usw.). Und darüber könnte ich jetzt Stunde um Stunde, Zeile um Zeile, Seite um Seite schreiben, um es näher aufzuführen.
Doch ich nutze den Raum hier lieber, um zu schreiben, wo ich diese aufregenden Diskussionen geführt habe: in Mainz, in der "Bar jeder Sicht", in der die AGARP und Queernet-RLP gemeinsam eine Veranstaltung zum Thema Migration & Homosexualität: ZusammenGedacht organisiert haben. Dies war ein Fachtag für Aktive in Vereinen und Beratungseinrichtungen. Gesponsert wurde das Ganze vom LSVD, vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen in RLP und von Inbez, dem Kompetenzzentrum im IQ Netzwerk, in dessen Rahmen ich ja auch arbeite. Und insgesamt war es wirklich spannend, auch wenn mal wieder ein paar Integrationisten dabei waren, was ICH ja fürchterlich finde.

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