Falk und seine Arbeit...
...Als ihm sein eigener Psychotherapeut erzählt hatte, dass ein Bekannter eine philosophische Praxis eröffnet hatte und sich gut vorstellen könne, dass auch Falk durchaus in der Lage wäre, es demjenigen gleichzutun, dachte er zunächst, dass man gemeinsam mit den Klienten Bücher lesen, ihnen Texte empfehlen und mit ihnen über den Inhalt sprechen würde. Doch ganz so war es nicht. Die Bücher musste Falk kennen und er konnte sie ihnen auch auf Anfrage empfehlen, aber im Grunde genommen war seine Aufgabe zu fast jedem Thema seine Philosophen parat haben, um zu wissen, welche Anstöße er dem Ratsuchenden geben sollte. Natürlich war da ebenso gefragt, dass er sozusagen schnell schalten und Gedankensprünge nachvollziehen konnte. Er musste einen wachen, freien Geist haben und auf jeden Impuls reagieren und im besten Fall neue Impulse von sich aus geben, damit zum Beispiel Gedankenkreisläufe unterbrochen werden konnten. Und dabei kam wieder die Nähe zur psychologischen Praxis zutage, in solchen Fällen beispielsweise der schmale Grat zur Depression, einer sehr oft vorkommenden psychischen Störung in der heutigen Gesellschaft. Er schaute das Kind an und lächelte. Dann die Mutter. „Ach, haben Sie heute die Hausaufgaben von Fabio mitgebracht?“ Sie packte das Hausaufgabenheft aus dem Schulranzen und las die Aufgaben vor. Danach wies Falk den Jungen an, die betreffenden Hefte herauszuholen. Als das Matheheft aufgeschlagen vor ihnen lag, fragte er den Kleinen: „Na, was musst du bei dieser Aufgabe machen?“ – „Ich muss eine Textaufgabe lösen.“ – „Dann lies mal durch und sag mir, wie du das rechnen musst!“ Der Junge schaute ihn verwirrt an und meinte: „Hm, ich weiß nicht, wie das geht. Wir haben gezeigt bekommen, wie man Brüche multipliziert. Wir haben keine Textaufgaben gemacht.“ Falk schaute ihn verdutzt an und nahm das Heft in die Hand und blätterte durch. Dann las er die Aufgabe im Buch nach und sagte daraufhin: „Hören Sie mal, Frau Oles! Ich kenne diese Kollegin ja nicht, aber sie kann solche Sachen nicht aufgeben, wenn sie das nicht vorher mit den Schülern eingeübt hat. Das macht keinen Sinn. Hausaufgaben dienen dazu, Gelerntes noch einmal zu üben. Man darf nicht die Aufgabe bekommen, irgendetwas zuhause zu erarbeiten, dafür ist der Unterricht da. Wenn Fabio immer so bekloppte Hausaufgaben aufkriegt, wundert mich nicht, dass er eine Abneigung entwickelt.“ Sie schaute ihn etwas desorientiert an, so als hätte er vorgeschlagen, ihren Sohn gar nicht mehr zur Schule zu schicken. Vielleicht dachte sie sich ja: „Oh, der soll doch meinen Sohn dazu bringen, Hausaufgaben zu machen, nicht erst recht davon abhalten“ kam ihm in den Sinn, aber das war ihm egal. „Ich schlage Ihnen vor, dass sie jetzt gehen und die Eltern der anderen Kinder anrufen und miteinander ausmachen, dass niemand diese Matheaufgaben macht. Wenn die Lehrerin sich beschwert, soll sie bei mir anrufen, ich kenne die Schulleiterin – das wird also alles zu klären sein im Fall der Fälle. Ich schreibe ihr auch noch einen Brief in Fabios Heft, zusätzlich auch noch in sein Aufgabenheft, um ihn vollends von den Hausaufgaben zu befreien. Er muss heute nichts machen, außer mit mir reden.“ Die Mutter war sprachlos. Sie schluckte. Irgendwann fand sie die Worte: „Meinen Sie wirklich, dass das eine gute Idee ist?“ Er lächelte breit und sagte: „Die beste Idee! Die beste! Also, ziehen Sie los, rufen ein paar andere Eltern an und holen Sie Fabio wieder in vierzig Minuten ab!“ Sie stand langsam auf und er begleitete sie noch zur Tür.
„So, Fabio, jetzt sind wir alleine!“ Der Junge schaute ihn verunsichert an. „Bin ich gut? Tataaaa, keine Hausaufgaben heute!“ Nun strahlte der Kleine und sagte: „Geil! Du bist gut!“ – „Danke, danke! Aber sag mal, was ist denn deine Masche, nicht die Hausaufgaben machen zu müssen?“ Er zuckte die Schultern. „Okay, du probierst also alles einmal querbeet durch. Hmja, geht ja auch, etwas fällt einem immer ein. Aber genug von Hausaufgaben. Schau dich mal um, da sind einige Spiele. Such dir eines aus, das wir miteinander spielen können.“ Während Fabio die in einer Ecke ausgebreiteten Spiele durchkramte, kam Falk ein Lied von Goran Bregovic in den Sinn und bewegte sich dazu rhythmisch. Der Junge schaute ihn verwirrt an. „Ich habe gerade ein Lied im Kopf. Hm, kennst du das auch, dass du manchmal Lieder in deinem Kopf hast?“ – „Hmnein!“ – „Was geht dir denn durch den Kopf? Bilder? Geschichten? Gar nichts?“ Er überlegte und fing dann an zu lächeln: „Also, manchmal sehe ich Bilder von meinen PSP-Spielen im Kopf.“ – „Ach nein, wirklich? Spielst du dann in Gedanken? Also, überlegst du, was du drücken und wie dann weitergehen müsste?“ – „Ja, genau!“ rief Fabio. „Siehst du, so ähnlich ist das bei mir mit Szenen aus Filmen und Liedern. Es ist ein schönes Gefühl, oder?“ – „Ja, sehr!“ – „Ich habe einen Vorschlag für dich: das nächste Mal bringst du ein paar Spiele mit. Mein Nachbar hat eine PSP – die werde ich mir dann ausleihen und wir spielen ein bisschen.“ Der Kleine nickte glücklich. „Und was spielen wir jetzt? Das verrückte Labyrinth? Das mag ich auch gerne.“ Das Ziel musste also sein, nicht nur die Kompetenzen, die Fabio beim PSP spielen hatte auf die Hausaufgaben zu übertragen, sondern auch die Motivation und das Interesse, das er da zeigte. Nur wie? Ja, das war die große Frage. Dass er an den Jungen rankommen würde, war keine Frage. Wieso er keine Hausaufgaben machen wollte, würde bald ans Licht treten, da machte er sich keine Gedanken, er fragte sich eher, ob die Mutter mit diesen Methoden einverstanden war. Ach, scheiß drauf, dachte er sich. Ich mache, was ich will. Beziehung aufbauen, Zugang finden und dann versuchen, einen Weg zu mehr so genannter intrinsischer Motivation bei dem Jungen zu finden. Das war schwer genug. Aber da würde er sich noch etwas überlegen. Jetzt versuchte er erst einmal, während er mit ihm spielte, herauszufinden, welche Interessen Fabio hatte, wer mit ihm befreundet ist, welche Fächer er mag oder nicht mag, wie er mit seinen Eltern und seinen Geschwistern auskam – kurz: einen Einblick in sein Leben zu gewinnen...
„So, Fabio, jetzt sind wir alleine!“ Der Junge schaute ihn verunsichert an. „Bin ich gut? Tataaaa, keine Hausaufgaben heute!“ Nun strahlte der Kleine und sagte: „Geil! Du bist gut!“ – „Danke, danke! Aber sag mal, was ist denn deine Masche, nicht die Hausaufgaben machen zu müssen?“ Er zuckte die Schultern. „Okay, du probierst also alles einmal querbeet durch. Hmja, geht ja auch, etwas fällt einem immer ein. Aber genug von Hausaufgaben. Schau dich mal um, da sind einige Spiele. Such dir eines aus, das wir miteinander spielen können.“ Während Fabio die in einer Ecke ausgebreiteten Spiele durchkramte, kam Falk ein Lied von Goran Bregovic in den Sinn und bewegte sich dazu rhythmisch. Der Junge schaute ihn verwirrt an. „Ich habe gerade ein Lied im Kopf. Hm, kennst du das auch, dass du manchmal Lieder in deinem Kopf hast?“ – „Hmnein!“ – „Was geht dir denn durch den Kopf? Bilder? Geschichten? Gar nichts?“ Er überlegte und fing dann an zu lächeln: „Also, manchmal sehe ich Bilder von meinen PSP-Spielen im Kopf.“ – „Ach nein, wirklich? Spielst du dann in Gedanken? Also, überlegst du, was du drücken und wie dann weitergehen müsste?“ – „Ja, genau!“ rief Fabio. „Siehst du, so ähnlich ist das bei mir mit Szenen aus Filmen und Liedern. Es ist ein schönes Gefühl, oder?“ – „Ja, sehr!“ – „Ich habe einen Vorschlag für dich: das nächste Mal bringst du ein paar Spiele mit. Mein Nachbar hat eine PSP – die werde ich mir dann ausleihen und wir spielen ein bisschen.“ Der Kleine nickte glücklich. „Und was spielen wir jetzt? Das verrückte Labyrinth? Das mag ich auch gerne.“ Das Ziel musste also sein, nicht nur die Kompetenzen, die Fabio beim PSP spielen hatte auf die Hausaufgaben zu übertragen, sondern auch die Motivation und das Interesse, das er da zeigte. Nur wie? Ja, das war die große Frage. Dass er an den Jungen rankommen würde, war keine Frage. Wieso er keine Hausaufgaben machen wollte, würde bald ans Licht treten, da machte er sich keine Gedanken, er fragte sich eher, ob die Mutter mit diesen Methoden einverstanden war. Ach, scheiß drauf, dachte er sich. Ich mache, was ich will. Beziehung aufbauen, Zugang finden und dann versuchen, einen Weg zu mehr so genannter intrinsischer Motivation bei dem Jungen zu finden. Das war schwer genug. Aber da würde er sich noch etwas überlegen. Jetzt versuchte er erst einmal, während er mit ihm spielte, herauszufinden, welche Interessen Fabio hatte, wer mit ihm befreundet ist, welche Fächer er mag oder nicht mag, wie er mit seinen Eltern und seinen Geschwistern auskam – kurz: einen Einblick in sein Leben zu gewinnen...
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