Fortsetzungsroman: Moody Blue 15

http://schmerzwach.blogspot.de/2012/
11/fortsetzungsroman-moody-blue-14.html Levent ist so schwierig, sagte sie, weißt du, Apostoli? Ja, ich kenne ihn sehr gut, erwiderte ich, er würde mich verrückt machen, wenn er mein Freund wäre. Sie freute sich über diesen Satz, endlich jemand, der sie verstand. Er stellt sich dar, sagte sie, als wäre er derjenige, der immer einlenken würde, als wäre er der Selbstlose, das ist er aber nicht, mitnichten, wer war es, der, bevor sie nach München gezogen waren, als sie sich gerade so wohl in Darmstadt fühlte, ihr knallhart ins Gesicht gesagt hatte: „Baby, ich möchte nach München. Wenn du mitwillst, freue ich mich, wenn nicht, dann gehe ich alleine“? Wer war es, der jetzt ständig an allem herumnörgelte und nölte, einem das Leben schwer machte? Ja, genau, pflichtete ich ihr bei, vielleicht ein bisschen scheinheilig, und seine Trägheit und Passivität nicht zu vergessen, die kann einen zur Verzweiflung bringen. Das liegt in der Familie, du solltest seine Mutter erleben, fügte sie hinzu, ach, schön mit dir darüber zu reden, ich habe immer das Gefühl, dass ich alleine stehe, er schiebt mir ständig den schwarzen Peter zu, als könnte ich etwas dafür, dass es in seinem Leben nicht gut läuft. Ich habe sie satt, seine missglückten Versuche, etwas auf die Reihe zu kriegen, und wenn es nicht klappt, bin ich Schuld. Sie redete sich noch ein paar Dinge von der Seele, machte ihrem Ärger Luft, dann bat sie mich, mich sofort zu melden, wenn ich Levent zu Gesicht bekäme. In Ordnung, sagte ich, verabschiedete mich nett und legte auf. 
Oh je, ich hatte Mitleid mit ihr, sie hatte es nicht leicht mit ihm. Und jetzt das! Sie wusste noch von nichts, aber ich hatte das Gefühl, dass sie etwas spürte. Man spürt als Partner immer, wenn etwas nicht stimmt. Die Frage ist nur, ob man dem nachgeht oder es lieber ignoriert, um weiterhin bequem vor sich hinzuvegetieren. Naja, das Unterbewusstsein benebelt uns oft sehr geschickt, damit wir dumm und uneinsichtig bleiben. Ich wüsste gerne, wieso es das macht. Es vereinfacht scheinbar unser Leben, darum lassen wir uns darauf ein. Oder es will uns vor Problemen, die zu groß wären, um sie bewältigen, bewah-ren. Oder es will unser Leben spannender, aufregender machen. Oder... 
War ich zu scheinheilig gewesen? Wenn ich schreibe, dann benutze ich oft solche Fragesätze. Wieso eigentlich? Ups, da war es wieder! Ich stelle mir oder dem Papier ständig Fragen. Erwarte ich auch Antworten? Vermutlich. Ich schreibe, um etwas zu erfahren. Um mich zu erfahren. 
Oft habe ich mich gefragt, ob ich sie deswegen nicht leiden konnte, weil ich eifersüchtig auf sie war oder weil sie eine dumme, nervige, selbstbezogene, viel zu spießige und langweilige Person ist. Am Ende meiner Überlegungen strich ich das oder weg. Einem anderen Mädchen hätte ich verzeihen können, mit meinem geliebten Jungen zusammenzusein, auch das hätte wehgetan, wäre aber vergangen. Aber ihn an sie zu verlieren, die so gar nichts Schönes und Besonderes an sich hatte, tat weh. Bei einer Klasse-Rasse-Frau hätte ich ausgerufen: Ach, was kannst du gegen sie ausrichten! Aber bei ihr: Ein irritiertes Unverständnis, was man in ihr sehen kann. Böse von mir! 
Alejandro kam nun herein und sagte, hoffentlich gefällt dir der Film. Was ist es denn? wollte ich wissen. Du wirst es gleich sehen... Leider war es kein Film mit Ryan Phillippe, aber „Studio 54“, „White Squall“ und „Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast“ usw. hatten wir bereits geschaut. Er hatte „She´s the One“ ausgesucht und das war in Ordnung, da mir die Schauspieler gefielen, ich mochte den einen männlichen Hauptdarsteller und ich liebte Cameron Diaz und Jennifer Aniston. 
Als der Film zwanzig Minuten lief, klingelte erneut das Telefon. Tobias. Er erzählte, dass er mit Stefanie verabredet gewesen sei, aber sie sei nicht gekommen. Na und, dachte ich mir, interessiert mich einen Scheiß. Und? fragte ich. Weißt du, wo Levent ist? Nein, Tobi, weiß ich nicht. Ja, genau das, sagte er, er ist weg und sie ist weg, sie sind zusammen weg. Und? fragte ich ein weiteres Mal. Was soll dein ständiges Und? Dein bester Freund entführt meine beste Freundin und dich scheint das nicht zu kümmern?! Genau, sagte ich. Was machst du gerade? fragte er dann. Videoschauen. Allein? Ähm, nein, ähm, mit meinem Freund Alejandro. 
Oh, machte er, würde ich jetzt stören? Eigentlich nicht, aber wir haben schon die erste halbe Stunde gekuckt und... Ich verstehe, sagte er. Ähm, wir könnten uns ja morgen treffen, wie wäre das? In Ordnung, du weißt ja, wo ich wohne, komm einfach irgendwann mal durch, antwortete ich, und mach dir keine Gedanken über Steff, die wird dich bestimmt morgen anrufen. Sorry, dass ich gestört habe, sagte er, bis morgen, Ciao. Ciao, schlaf gut. 
Ich ging zurück in mein Zimmer, Alejandro zappte gerade durch das Fernsehprogramm. Ich erzählte ihm von dem Telefonat. Jaja, lächelte er, der Tobi hat dich wohl sehr gern, hmmm? Tja, der weiß halt, was gut ist, neckte ich ihn. Er küsste mich, flüsterte mir ins Ohr, das weiß ich auch. Kaum hatten wir das Video gestartet, klingelte erneut das Telefon. Ich schickte Alejandro, er sollte den Störer abwimmeln. Diesmal war Levents Schwester dran, die wissen wollte, wo er sei. Was regten die Leute sich so auf, wenn jemand einmal länger braucht, um nach Hause zu finden?! Hatten sie Angst? Was glaubten sie, was los sei? 
Nun waren wir endlich wieder allein in unserer trauten Seligkeit. Alejandro schaltete das Gerät ein, wir schauten den Film weiter, amüsierten uns über die Szene mit dem Vibrator, da erschraken wir, ob eines Geräusches am Fenster. Ein zweites folgte: jemand warf da mit Kieselsteinen. 
Ich rannte ans Fenster, öffnete es, wisperte Levent vor mich hin, das müsste er sein. Doch nein. Steff stand da, rief hoch, weißt du, wo Levent ist? Nein, sagte ich, weißt du es nicht? Nein, würde ich dann fragen? Also Ciao. Geh zu Tobias, schrie ich ihr hinterher. Warum wusste sie nicht, wo er war? Warum wusste niemand, wo er war? Langsam begann ich mir Sorgen zu machen. Irgendetwas stimmte da nicht. 
Alejandro war genervt. Wann können wir endlich das Video in Ruhe anschauen? Nächster Versuch. Wir kuschelten uns behaglich in meine Bettdecke und einige Kissen. Der Film war lustig, die Verwicklungen, die Liebesspiele. Währenddessen machte ich mir Gedanken über das Telefonat mit Tobi. Was dachte er jetzt? Mochte er mich nicht mehr? War ich zu grob gewesen? Hatte er sich vorher Chancen ausgerechnet? Verlöre er nun das Interesse an mir? Und täte mir das weh? Als der Film zu Ende war, endlich hatten wir es geschafft, fragten wir uns, was wir nun machen könnten. Schach! rief ich aus, wir hatten schon lange nicht mehr gespielt. Ich liebte Schach. Noch mehr als es zu spielen, schaute ich mir Schachübertragungen an, erfreute mich an den Kommentaren von Vlastimil Hort, seinem osteuropäischen Akzent, seinen Bemerkungen über die Geschichte des Schach, was der alles wusste! Die verschiedenen Varianten beim Ziehen, die er mit Helmut Pfleger erläuterte, das alles hatte einen großen Unterhaltungswert für mich. Ich war da allein mit meiner Ansicht. Ich baute das Spiel auf. 
Es klingelte. Diesmal die Tür. Was war denn heute los? Ich lief die Treppe hinunter, öffnete die Tür, Tobias stand davor. Darf ich eintreten? fragte er. Natürlich, komm herein, nach der Treppe gleich rechts. Er ging mir voraus, trat in mein Zimmer ein, in dem mein Freund auf dem Bett saß und wartete. Sie sagten sich verhalten Hallo. Mittlerweile war ich auch da. Tobias, das ist mein Freund Alejandro, Alejandro, das ist Tobias, du weißt, der, den ich gestern kennengelernt habe, sagte ich, und dann, setz dich doch, Tobi. Er nahm auf meinem Sessel Platz, während ich mich zu meinem Schatz setzte, der hatte bereits das Spiel aufgeräumt. Die Atmosphäre in der nächsten halben Stunde war etwas angespannt. Keiner wusste, wie er sich verhalten sollte, Alejandro tat sich sowieso schwer, wenn er jemanden nicht kannte, noch dazu handelte es sich um einen eventuellen Nebenbuhler. Bei Tobias konnte ich es nicht recht einschätzen. War er von mir enttäuscht? Hatte er schlechtes Gewissen, weil er uns störte? 
Im Grunde genommen war ich jemand, der sich selten verstellte, der selten Rollen spielte, ich war, wie ich war. Manchmal flapsig, manchmal zu vertrauensselig, zu offen, doch immer echt. Außerdem bemühte ich mich, möglichst wenig Leerlauf in einem Gespräch zuzulassen, ich mochte keine Floskeln, keine Worthülsen, keine Oberflächlichkeiten. Ich wollte sagen können: ich mag dich, oder: ich hasse dich. Oder: ich glaube, im Moment labern wir einen Scheiß, oder: Hey, früher war ich in dich verliebt, oder: ich finde dich süß. Natürlich verstieß ich selbst oft gegen diese Regeln. ...

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