Zeitgenössische Lyrik ... vorgestellt von Martin Piekar 6/10

Martin Piekar, 1990 geboren, verfasst Lyrik, Lyrikpreisträger beim 20. Open Mike 2012 
10 Lyrikbände zeitgenössischer Lyriker auszuwählen und vorzustellen fällt einem als Lyrikliebhaber schwer. Weil es NUR 10 sind. Aber trotzdem habe ich, Martin Piekar, mich gewagt. Ich nenne 10 Lyrikbände, möglichst aktuell, die mein Lesen, meine Leseerfahrung, mich im Lauf der Lektüre verändert haben. Da ich keine Rangliste machen möchte, werde ich die Bände nicht nummerieren, sondern ich werde Sternchen setzen.




* Hölderlin als einer der größten deutschen Dichter. Das würde ich sofort unterschreiben. So auch, dass der Umgang mit ihm schwer, aber wichtig und lyrisch gesehen unheimlich gut sein kann: Gerhard Falkner – Hölderlin Reparatur. Was mich an diesem Gedichtband so fesselt ist die Tonlage: Ein hoher Ton wie bei Hölderlin ist häufig vorhanden. Es wird damit gespielt: ironisch, albern, mit Alltagssprache konfrontiert, in intuitiv unpassenden Situationen, etc. 2009 wurde Gerhard Falkner dafür mit dem Huchelpreis ausgezeichnet (es entbrannte damals eine Debatte darum, im Internet nachzulesen). Ich wurde von Hölderlin angezogen und von Falkner begeistert: 





Droben wohnen

Die Nächte werden immer kleiner. Immer teurer.
Wie Mittage schon fast / auf ihren nadelspitzen Höhepunkten steckend -
nur schwarz und unerhört und kalt
Kein Orpheus. Kein Orakel. Kein Orplid.
Höchstens Rilkes Fünfte. Und das Gras /
das funkelnd um die Häuser zieht.
Ich will, flussaufwärts, deinen nackten Adern folgen
bis meine Augen ihre Quellen finden.
Und apropos Quelle.
Ich wohne zwar gleich um die Ecke / doch ich bin
ein Andersdenkender.
In meinen Räumen gibt es keine
tragende Wand. Die Träume sind
auf sich gestellt und
das Papier, auf dem sie sich erfüllen
das hat keinen Rand.
Uns zwingt allein die Schrift
uns endlich zu entscheiden:
VIP Lounge oder Kolchose? /
Entweder das entweder oder das oder!
Aber, soll das heißen, wir haben keine andere Wahl?
Was ist denn dann mit wandern gehen. Auswärts essen.
Droben wohnen. Ruhig sein?

(Mittlerweile gibt es die „Pergamon Poems“ von Falkner – eben über den Pergamon-Altar, und ich bin durch diesen Band schon ganz scharf auf den nächsten, erschienen bei kookbooks) 

Gerhard Falkner, Hölderlin Reparatur, Berlin Verlag, 2008, Berlin

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