Fortsetzungsroman: Moody Blue 6

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Ein kleiner Seitenarm des Rheins floss still und langsam an uns vorbei, ein großer Stein, der sich als Sitzplatz eignete, lag am Ufer und ich setzte mich darauf. Es war schon seltsam, mitten in der Nacht im Wald zu sein, ich hatte ein wenig Angst, Tobias wohl ebenso, denn er folgte mir gleich und nahm neben mir Platz, lehnte sich an mich. Ich legte meinen Arm um ihn, ohne zu wissen, ob das in Ordnung für ihn war, vielleicht hasste er offenkundige Berührungen – eventuelle Annäherungsversuche – von anderen Jungs, man wusste das ja nie. Gera-de homosexuelle Jugendliche, die im Kampf mit ihrer Veranlagung und ihrer Identität stecken, reagieren besonders empfindlich in solchen Situationen. Er nicht. Die Luft roch angenehm nach Natur und Nacht, der Wind blies sanft und streichelte unsere Gesichter. Ich fühlte mich wohl. Die Zärtlichkeit Tobi gegenüber hatte so etwas Harmloses an sich – zumindest für mich –, so etwas angenehm Brüderliches. Wir schwiegen. War so eine Situation nicht dafür prädestiniert, ein Geheimnis zu offenbaren? Egal, wie gut man sich kannte, der Ort, die Zeit, die Gefühle, wie dafür geschaffen, Intimes von sich zu geben. Nun, ich fühlte zumindest den Drang dazu. Doch was sollte ich ihm erzählen? Außerdem interessierten mich seine Geheimnisse sehr viel mehr, meine wusste ich schließlich schon. Vielleicht sollten wir bei dieser Gelegenheit ein Geheimnis erschaffen. Uns küssen? Was für Gelüste und Gedanken ich an diesem Abend, in dieser Nacht, hegte?! Es war so wie wenn eins meiner Alter Egos aus meinen erfundenen Geschichten aus ihnen entkommen und mir in den Körper geschlüpft wäre. Gerade in diesem Moment schaute er mich liebreizend an. Süß. Glaubst du, dass sie es miteinander tun? fragte er mich auf eine drol-lig-naive Art. 
Levent hatte seine Freundin noch nie betrogen, aber heute sah es anders aus, in dieser Nacht traute ich ihm alles zu. Fändest du es schlimm? fragte ich ihn. Weiß nicht, meinte er, ist Sex etwas Schlimmes? Nun, ich glaube nicht, antwortete ich, jeder begreift es anders, es ist etwas sehr Schönes, sehr Intimes, das man mit einem Menschen teilt, dem man vertrauen kann, ich sehe allerdings nichts Heiliges daran, Sex nicht als Höhepunkt einer großen Liebe, als Krönung der Beziehung, die perfekt, innig und rigide ist. Du hältst wohl nichts von Treue? provozierte er mich. Ich war noch nie untreu, sagte ich. Und das stimmte. Gelegenheiten hätte es gegeben, aber ich wollte es nie, fand immer Gründe, warum es nicht ginge. Liebte ich meinen Freund Alejandro so sehr? Oder zogen mich diese Jungs sexuell nicht genügend an? 
Er löste sich von mir und stand auf, er bewegte sich auf den Pfad zu. Er blieb nun unschlüssig stehen, schaute mich mit einem verwirrten Blick an. Dann lief er los. Ich rannte ihm hinterher. Was ist los? fragte ich, er antwortete nicht. Vor Jahren machte ich ein Praktikum im Kindergarten, dort hatte ich ein Kind namens Julian in meiner Gruppe, ein süßer Knopf, sehr intelligent und liebenswert, erzählte ich, wir fragten uns abwechselnd: was ist los? nichts! was? nichts! was? nichts!... Nichts! schrie Tobias und lachte laut los. Was? fragte ich. Nichts! antwortete er. Wir mögen uns, dachte ich und freute mich. Wir liefen zurück durch diese dunkle Nacht, zum Glück gab es keine Abzweigungen, die uns verwirren konnten. Als wir näher kamen, waren unsere Freunde gerade voll bei der Sache, beide nackt, wild umschlungen, ekstatisch zuckend, daher schlichen wir davon. 
Der ist ja behaart wie ein Affe, prustete Tobi los, als wir uns ein bisschen von ihnen entfernt hatten, uargh, der hat ja eine animalische Behaarung! Er nahm mich an der Hand und rannte los; hey, was ist los? fragte ich. Nichts! antwortete er und blieb endlich stehen, ich bin in der Laune, etwas Verrücktes zu tun. Ich dachte natürlich wieder an das Eine, wollte er Sex machen? Was? fragte ich. Nichts! lachte er. Apostolis, sing ein Lied für mich, bat er mich. Ein Lied? fragte ich. Ja, sagte er, eines, das dir einfällt, wenn du an die beiden anderen denkst. Meine Stimme hatte ich viele Stunden lang trainiert, weil es mein Traum war, auf der Bühne stehen zu dürfen und griechische Volkslieder zum Besten zu geben. So trällerte ich:


Ανεβα στο τραπεζι, κουκλα μου γλυκεια,
Χορεψε και σπαστα ολα τουτη τη βραδυα,
Παρε το ντεϕι κι ηρθα στο κεϕι,
Μη μου χαλαs τα γουστα
Σπαστο κορμι σου, ελα κουνησου και τιναξε τη ϕουστα.

Φερτε να πιω να ξημερωθω,
Πω πω πω πω πω μια κοπελα π′αγαπω.

Αμαν κουζουμ αμαν γιαβρουμ.

Αγκαλιασε μεκαι ϕιλεσε με
και οτι θελει αs γινει
Μονο κακια και μοχθηρια
Μεs στη ζωη θα μεινει.

Φερτε...

Steig auf den Tisch, meine süße Puppe,
Tanze und mache heute Abend alles kaputt...
Nimm das Tamburin und spiele, ich bin betrunken,
Verderbe mir nicht den Spaß,
Schmeiß deinen Körper herum, beweg dich und zeig mir, was du unter deinem Rocke hast.

Gebt mir was zum Trinken, damit ich auf dieser Party alt werde,
eh, eh, eh, eh, eh, ein Mädchen, das ich liebe.

Aman kusum, aman jawrum.

Umarme und küsse mich,
Und danach kann passieren, was will,
Nur Bosheit und Boshaftigkeit
Werden im Leben bleiben.

Gebt mir...

So übersetzte ich ihm hinterher holprig den griechischen Text, der sich natürlich im Original sehr viel poetischer anhört und sich reimt. Ich könnte mir vornehmen, diesen Liedtext einmal in ein deutsches Gedicht zu verwandeln. Tobias hatte Gefallen an dem Lied gefunden. Sing es noch einmal! bat er mich. Ich tat es. Dann rannte er wieder los. Wie war das nochmal? fragte er, Anewa sto trapezi mu, sang er, rannte durch das Dickicht. Wo rennst du denn hin? fragte ich, wie willst du über den Rhein kommen? Da vorne ist ein Brückchen, rief er, kukla mu rlikja. Ich versuchte ihm nachzukommen. 

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