Fortsetzungsroman: Moody Blue 10

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Hat Levent bei dir geschlafen? flüsterte er mir zu, als ich die Treppe bewältigt hatte. Ich lief in die Küche. Die Grammatik ist falsch, sagte ich, er schläft bei mir, wie du siehst, allerdings erst seit zehn Minuten. Hattet ihr Sex? fragte er mich amüsiert, so, als glaubte er, dass das nicht im Bereich des Möglichen läge. Nein, aber letzte Nacht hätten wir fast. Was? fragte er, mein Brasileiro, mein Alejandro, ganz irritiert. Ja, und dann schlief er mit einer Tussi, die wir im Wald aufgegabelt haben. 
Seine Mimik schwankte zwischen belustigtem Unglauben und echter Empörung, es war lustig zu beobachten. Das ist die schönste Eigenheit meines Schatzis, stundenlang konnte ich in sein Gesicht sehen, als wäre es ein interessantes Fernsehprogramm. Es kannte so viele Facetten, veränderte sich ständig, zog die amüsantesten, imposantesten, witzigsten, merkwürdigsten, unglaublichsten Fratzen, ein einziger Genuss ihn zu betrachten! Erkläre dich! forderte er mich auf. 
Nun, begann ich, wir gingen spazieren, sprachen dann davon miteinander Sex zu haben. Ich weiß auch nicht mehr so genau, wie wir drauf gekommen sind, ach doch, ich sagte zu ihm anzüglich, dass ich ihn noch nie habe onanieren sehen, so fing das an. Was hast du gemacht? lachte er mich an. Du weißt ja, erwiderte ich, ich bin manchmal sehr direkt. Das kann man wohl sagen! Alejandro verschluckte sich fast, als er das sagte, und dann? Haben wir uns ein bisschen gegenseitig angemacht, aber ich wollte nicht, ich weiß auch nicht, ob er weitergegangen wäre, keine Ahnung. Soso, auf dich muss man ja auf-passen, sagte er. Naja, ist ja nichts passiert. 
Danach trafen wir auf ein Mädchen und einen Jungen, sagte ich. Wie passend, meinte er. Ja, und mit dem Mädchen hatte er Sex, er sagte vorhin, er sei verliebt in sie. Und du? Hast du dabei zugeschaut oder warst du mit dem Jungen beschäftigt? Ähm, wir gingen spazieren, haben miteinander geredet und gesungen. Gesungen? unterbrach er mich. Ja, gesungen, und dann waren wir nacktbaden im Schwimmbad. Und was ist da passiert? Nichts, Alejandro, nichts. Ich meine, er hatte einen Ständer und ich auch und später, als wir gerutscht sind, haben wir uns berührt, aber sonst ist nichts geschehen, beeilte ich mich zu sagen. 
Oh, wie harmlos! sagte er ironisch. Alejandro, es war wirklich harmlos, ein bisschen erotisch und intim schon, aber es war nichts. Bist du jetzt böse? Nein, gell?! Nee, es macht einen zwar ein wenig nachdenklich, aber ich vertraue dir. Wie heißt denn der Glückliche? fragte er. Tobias heißt er, ist achtzehn und überhaupt nicht so hübsch wie du. Weißt du was, Alejandro? Nach dieser Nacht habe ich wahnsinnige Gelüste. Gelüste auf dich. Lass uns zusammen duschen! 
Ich rannte voraus ins Bad, er mir hinterher, ich war sowieso gleich ausgezogen, ich hatte ja nur Shorts an, und auch er beeilte sich. 
In der Dusche, unter diesem brausenden Nass, stürzten wir uns aufeinander. Ich hatte ihn wohl mit meiner Erzählung von meinen nächtlichen Erlebnissen heißgemacht. Jeder malt sich die Geschichten, die ihm erzählt werden, anders aus, hat seine eigenen Vorstellungen, schmückt sie hier und dort noch aus, am Ende sind sie seine Geschichten, auf seine Bedürfnisse zurechtgestutzt. Ein weiterer Makel in meiner Sprache: wie beschreibe ich Sex, ohne dass es zu pervers, zu anrüchig, peep-show-mäßig abgebildet wird, wie stelle ich es an, gediegene Schönheit, Poetik und Sanftheit zu erreichen? Die körperliche Liebe wird oft fahl oder plump, wenn man sie beschreibt, man neigt zu Übertreibungen, Unwahrheiten, manche sogar zu Gewalttätigkeiten oder zu seligen Wonnegefühlen, die in der Realität überhaupt nicht so selig und wunderbar werden können. 
Alejandro übrigens spricht man nicht spanisch aus, also mit rollendem r oder so, nein, man spricht es portugiesisch aus, wobei das j wie im Französischen ausgesprochen wird. Alejandro sagte: ich liebe dich, als wir noch unter der Dusche waren, und ich sagte: das ist löblich. Ein alter, dummer Scherz zwischen uns, es ärgerte ihn, wenn ich das, oder: wie schön! sagte, anstatt ein Ich liebe dich zu hauchen. Ich sagte es ihm oft genug, so war es ja nicht. Wie immer kam ich vor ihm aus dem Bad, er brauchte länger als ich. Ich schaute in den Kühl- und in den Speiseschrank, um zu überlegen, was wir zum Mittagessen kochen könnten. Wieso läufst du hier nackt herum? fragte mich mein süßer Freund, Levent könnte aufstehen und dich sehen. Der hat mich schon einige Male nackt gesehen, entgegnete ich ihm. Ach so, so ist das also! Er lächelte dabei. 
Nackt lief ich in mein Zimmer, um mir Shorts und ein T-Shirt aus dem Schrank zu nehmen, eine Hand berührte mich an den Füßen, als ich die Schranktür öffnete, die Matratze, auf der ich schlief, befand sich nur wenig vom Schrank entfernt. Ich erschrak, schaute zu Levent, der noch immer schlief, er bewegte sich wohl im Schlaf, oder er spielte nur schlafend. Ich zog mich an und ging aus dem Zimmer. In meinen Geschichten wäre ich schnell über Levent hergefallen, Alejandro käme herein und würde mitmachen, ein flotter Dreier mit meinen zwei Liebsten also. 
Was essen wir? fragte ich meinen Schatz, als ich in die Küche kam. Er kochte immer. Grundsätzlich. Naja, fast immer. Mein Freund ist der geborene Hausmann. Wie sehr bewundere ich ihn dafür! Nein, wirklich. Man könnte mir vorwerfen ihn auszunutzen. Ich bin völlig unpraktisch veranlagt, mir erscheint jegliches Putzen, Kochen, Einkaufen als lästige Zeitverschwendung. Ich hasse Zeitverschwendung. Zeit, die ich sinnvoll mit Lesen, Schreiben, Nachdenken und Lernen ausfüllen könnte. Als Alejandro ins Zimmer trat, wollte er, dass ich umschaltete. Mach den Dreck weg! war der genaue Wortlaut. Er servierte das Essen und wir einigten uns auf MTV. 

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