Undercover. Liebeslyrik - ein Update im Blauen Haus


Vielleicht wussten einige nicht, was sie erwartet. Vielleicht hatten einige ganz andere Erwartungen. Vielleicht sind manche aber auch beseelt und glücklich aus dem Blauen Haus gegangen. Glücklich bereichert. Aber vielleicht auch ein bisschen überrascht ...
Überrascht sind vielleicht auch meine regelmäßigen Leser*Innen an dieser Stelle. Keine Fotos der Veranstaltung? Unsere Lieblingsfotografin CoCo Corinna Kaiser hatte frei an diesem Abend. Und wir anderen waren alle so beschäftigt mit der Dichtkunst ... 
Was überraschte die Zuschauer*Innen? Vier Expert*Innen schickten Liebesgedichte ins Rennen. Niemand wusste vorher, von wem die Gedichte stammen, von welchem Dichter/ von welcher Dichterin, aus welchem Jahrhundert ... Und schließlich hieß die Veranstaltung Liebeslyrik - ein Update. So sollte man doch meinen, dass die Expert*Innen neue Liebeslyrik einschicken, aber ... Nun, Marcus Roloff hatte einen zeitgenössischen Dichter, Thomas Kling, der aber immerhin auch 2005 verstarb, Alexandru Bulucz brachte einen Lokalmatador, Klaus Hensel, mit. Doch Gerda Jäger verblüffte mit Kurt Tucholski und Sarah Schuster gewann - das kann ich nun schon sagen - mit ... wem wohl ... Erich Fried! Wer hätte das erwartet? Beim Update stellte sich also heraus, dass wir nach wie vor unseren Erich Fried und seine Liebesgedichte lieben.


Halten 

Halten

das heißt

Nicht weiter – nicht näher – nicht einen Schritt

oder heißt Schritthalten

ein Versprechen - mein Wort

oder Rückschau

Halten

dich

mich zurück – den Atem an – mich an dich

dich fest

aber nicht

dir etwas vorenthalten

Halten

dich in den Armen
in Gedanken – im Traum – im Wachen

Dich hochhalten

gegen das Dunkel

des Abends – der Zeit – der Angst

Halten

dein Haar mit zwei Fingern

deine Schultern – dein Knie – deinen Fuß

Sonst nichts mehr halten

keinen Trumpf – keine Reden

keinen Stecken und Stab und keine Münze im Mund



Liebesbeziehungslosigkeit 

Manchmal
liebe ich
eine Zeile
eines Gedichtes
das ich geschrieben habe
als hätte ich sie geschrieben

Ich weiß sogar
ich habe sie geschrieben
Aber das hilft mir nicht
denn ich schreibe jetzt nicht

Die Zeile
die ich liebe
liebt mich nicht wieder


Das waren die beiden Siegergedichte von Erich Fried.

Es war etwas weniger los als bei der Auftakt-Veranstaltung von Undercover (und trotzdem gut gefüllt), die Atmosphäre war auch etwas anders, weil weniger ganz junge Leute dabei waren. Aber auch diesmal schafften wir es, das Publikum mit den Expert*Innen diskutieren zu lassen, und es kamen einige sehr schöne Debatten auf. Die auf jeden Fall bereichernd waren, und zwar nicht nur in Bezug auf Lyrik, sondern natürlich auch in Liebesdingen. Es hat riesigen Spaß gemacht, auch diesmal - und wir freuen uns auf das nächste Mal! 

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