Frankfurt Walking Outtakes


Die folgende Geschichte hat es nicht in das Buch "Frankfurt Walking" geschafft, aber die treuen Blog-Leser*Innen, also ihr, dürft sie trotzdem lesen. :-)

Blaues Haus : Yok yok

„Ich dachte, du sprichst von einer Villa, als du das ´Blaue Haus´ erwähntest“, sagt Luise lachend. Ein Holzhaus am Main, selbst hergerichtet von Menschen, die sich in einem Verein zusammen getan haben. ´Blaues Haus e.V. – Verein für Kunst und Freizeit´ nennen sie sich. Jannis, mein gleichnamiger ´Landsmann´, wenn man das so sagen kann, ist der erste Vorsitzende. Über ihn bin ich auf diesen Veranstaltungsort gekommen. Es ist das Blockupy Wochenende und eine Freundin hat uns zu ihrer Party eingeladen, für die sie das Haus anmieten durfte. Eine Schriftstellerkollegin. Daria. 
Luise blickt durch das Fenster auf den unruhigen Main, das Wasser steigt, in anderen Städten ist das Hochwasser aber schon bedrohlicher. „Lass uns ein Bild vor dem Main machen!“, sagt Luise. Wir gehen um das Haus herum, die Treppen hinunter, das Licht von der Party fällt leicht auf uns. „Bitte lächeln!“, sagt sie fröhlich und knipst mehrmals hintereinander Fotos mit ihrem iPhone. Danach schauen wir uns die Ergebnisse an. „Das ist gut!“, rufe ich beim dritten Bild, das sie mir zeigt, aus. Sie nickt. Ich bedeute ihr, es mir gleich auf Whatsapp zu schicken. „Warte mal kurz“, sagt sie, „ich muss es kurz auf Instagram hochladen.“ OMG, denke ich mir, wir zwei sind so Großstadt. Ich betrachte amüsiert das Bild. „Wieso BFF als Bildunterschrift?“, frage ich irritiert. Sie lacht mich aus: „Best Friends Forever, du Schlaubi Schlumpf!“ Ich lache mit ihr. Wir sind schon einigermaßen betrunken. Als wir wieder oben ankommen, beschließen wir weiter zu ziehen. Es gibt so vieles zu tun. Frankfurter Wochenende: und wir als Party People...

Wir laufen also ein Stück bis zur Haltestelle ´Blutspendedienst´, Stadtteil Niederrad. Wir nehmen die 15 Richtung Hauptbahnhof. Die Tram ist relativ leer. Wir setzen uns in die Mitte des Waggons. Wir haben einen Plastikbecher mit Alkohol drin mitgehen lassen, mein Gin Tonic ist sehr stark, der von Luise etwas schwächer – sie hat sie gemixt. Die Tram hält. Sechs Jungs steigen ein, alle ´Mihigrus´, Alter zwischen 16 und 22, wer kann das schon so genau sagen. Ich möchte sie auch nicht so direkt anblicken, rein aus Sicherheitsgründen. „Sind die deppert!“, denke ich nun bei mir: Die ganze Tram ist leer – und wo setzen die sich hin? Natürlich! Genau auf den Vierer neben uns und die zwei restlichen Buben hinter uns auf den Zweier. Geht´s noch? 
Wir müssen nicht lange warten, bis die ersten Pöbeleien kommen. Nichts Dramatisches. Sie sind aufgedreht, haben wohl noch nichts erlebt an diesem Abend. Trotzdem. Ich habe eine Frau dabei. Wir sind in der Unterzahl. Was soll das?! Sie haben alle diese typischen Hipster-Frisuren, an den Seiten ganz kurz, die Haare vorne zu einer kleinen Tolle frisiert. Sie tragen T-Shirts mit tiefem V-neck, einer ist besonders attraktiv. Der neben ihm besonders anstrengend. Ich blicke ihn schmunzelnd an: „Jungs, ein bisschen Respekt bitte, ja?! Ich könnte euer Vater sein!“ Der Missetäter schaut mich perplex an, der Attraktive sagt: „Ja, Mann, er hat Recht! Lass ein bisschen mehr Respekt haben!“ Der andere schaut mich an: „Aber ich bin 22 ...“ Ach Gott, sein Gesichtsausdruck ist nun fast schon süß zu nennen. „Und ich bin 37, mein Junge, also...“ Aus den Augenwinkeln heraus sehe ich, wie Luise die Augen verdreht und wahrscheinlich glaubt, dass wir eine auf´s Maul bekommen werden. Doch nun beschäftigen sich die Jungs tatsächlich mit sich selbst und lassen uns in Ruhe. 

Wir steigen am Baseler Platz aus, unser Ziel ist das Gewerkschaftshaus – da soll noch eine Veranstaltung von Blockupy stattfinden. Aber als wir endlich eintrudeln, wird gerade abgebaut. Die Leute fragen uns, ob wir noch in eine Kneipe mitmöchten, zum Diskutieren. „Wohin denn?“, fragen wir angeblich interessiert, wissen aber schon, dass wir keine Lust auf so etwas haben. Luise und ich sind engagiert, aber so engagiert dann doch wieder nicht. Sie sagen uns wo. Wir behaupten, dass wir erst unsere Freunde kontaktieren müssen und dann später nachkommen. Wir laufen erst einmal Richtung Bahnhof. Die Baseler Straße entlang. Luise telefoniert mit einer Freundin von uns. Jen. Sie bleibt stehen. Sagt Okay. Sie legt auf. 

In diesem Moment erblicke ich Mickey Mouse, der auf uns zuläuft. Mickey Mouse? Ja, ein Typ, der in so einem Kostüm herumläuft, sehr groß. Wir halten ihn an, sagen, dass wir unbedingt Fotos mit Mickey Mouse machen müssen. Zuerst ich. Luise fotografiert mal wieder. Mickey fasst mir an den Po, fast nicht hörbar flüstert er: „Nice to meet you!“ Ich muss lachen. Oh Mann, warum denke ich nur, dass Mister Mouse sexy ist? Seine Stimme ist es auf jeden Fall. Nun fotografiere ich BFF Luise mit ihm. Er fragt sie wohl, ob er ein bisschen Geld bekommen könnte. Sie zückt ihr Portmonee und gibt ihm ein zwei Euro-Stück. Mickey sagt Bye und ich schaue ihm selig hinterher. Luise lacht wieder: „Ey, in Frankfurt kostet sogar das Bilder schießen Geld!“ Ich sage: „War ja auch mit einer Berühmtheit.“ Und: „Er hat mir an den Po gefasst!“ Sie kriegt sich nicht mehr ein: „Ist Mickey Mouse schwul?“. 
„Wohin jetzt?“, frage ich sie.

„Ins Yok Yok, Münchener Straße“, antwortet sie, „da warten wir dann auf Jen und Co.“ Yok Yok? Ich muss nicht lange überlegen, das heißt auf Türkisch: Nein, nein. Aber was soll das sein? Ich schaue meine BFF verwirrt an. „Das ist ein bisschen wie Berlin“, beginnt sie nun, „so ein Lädchen wie ein Späti, saucool, man sitzt da rum, chillt, trinkt Bier.“ ´So Berlin´ in Frankfurt also – ich bin gespannt. Als wir ankommen, sitzen schon einige Hipster auf Bierkästen vor dem Yok Yok. Gut gelaunt verkaufen die zwei Herren, die türkischer Herkunft zu sein scheinen, Bier und andere Getränke an die jungen Leute. Es ist wirklich ein bisschen wie in einer In-Kneipe. Wer hätte das hier erwartet? Es füllt sich auch immer mehr, weil die tatsächliche In-Bar in der Münchener Straße, das ´Plank´, ein paar Häuser weiter, das Bio-Limonaden, Kaffeespezialitäten und mehrere Gin-Sorten führt, gerade schließt und seine Kundschaft ins Yok Yok schickt. Wir setzen uns und nach wenigen Minuten stoßen Jen und ihre Freundinnen zu uns. Kurze Zeit später läuft zufällig mein Freund Anton mit einer Freundin vom ´Plank´ in Richtung zu mir und ´Yok Yok´. Wir umarmen uns umständlich, er ist wirklich sehr groß. Er stellt mir seine Freundin vor. Sarah, Meike oder so etwas – also irgendein Name, den ich im nächsten Moment vergesse. Es ist wirklich schön, da zu sitzen, auf unseren Bierkästen, die Leute, die vorbei laufen, zu beobachten, das pulsierende Leben m Frankfurter Bahnhofsviertel. Es ist wirklich so bunt wie es unser Abend bisher war. Wir sehen Chekker vorbei flanieren, Hipster, Leute in unserem Alter, also eher Mitte Ende Dreißig, und ein paar ältere Migranten. Wir sehen Muskelprotze, Schmächtige, Große, Kleine, Menschen verschiedener Herkunft, Ruhige, Laute, Wilde, Schüchterne. Ich frage Anton, warum wir nie unsere Mobilfunknummern getauscht haben. Wir haben bisher dem Zufall (oder Schicksal?) vertraut und sehen uns regelmäßig ohne Absprache. „Stimmt eigentlich!“ stellt er fest. Und wir tun es endlich. Seine Freundin und er wollen sich auf den Weg machen. Luise auch. Sie nimmt Jen mit. „Willst du auch mit uns fahren? Wir nehmen ein Taxi.“ Ich fahre mit. Das ist unser Dauer-Deal: Wenn Luise keinen Bock auf Öffentliche hat, fahren wir mit dem Taxi zu ihr – sie zahlt. Und ich laufe das letzte Stück vom Sandweg aus zu mir nach Hause, zehn Minuten Fußweg nachts, tagsüber acht. 

Am nächsten Tag bin ich bei der Blockupy-Demo – ich laufe direkt hinter diesem Anti-Kapitalistischen Block, der eingekesselt wird. Sehe Mädchen, sehe Frauen, die vor Schmerzen weinen, weil die Polizisten wahllos Tränengas in die ersten Reihen sprühen. Ich atme es auch regelmäßig ein, kriege Hustenanfälle. Fassungslosigkeit. Ich gebe den Verletzten Taschentücher, versuche gemeinsam mit den anderen Umstehenden Wasser zu organisieren. Die Demo war bis zu diesem Zeitpunkt so friedlich gewesen... Viele Worte wurden über diese Demo verloren, auch von mir – es ist eine lange Geschichte für einen anderen Nachmittag. Ich stehe mit meinen Freunden in der prallen Sonne, ich weiß, dass es nicht mehr weiter gehen wird. Unsere Kumpel stehen in der Einkesselung – keiner wird reingelassen, keiner raus. Außer verletzt, festgenommen. Mir reicht es! Ich verabrede mich mit Luise, aber als ich den Ort nennen möchte, geht der Akku meines Mobiltelefons aus. So ein Mist! Ich denke: sie wird sicher wissen, dass ich mich jetzt zum Yok Yok bewege. Ich hole mir ein Bier, frage den türkischen Herren, ob ich mein iPhone aufladen könne. „Wenn du ein Kabel dabei hast“, sagt er freundlich, „gleich da vorne!“ Und ich sehe am Eingangsbereich über einem Regal ein Verlängerungskabel von der Decke runterhängen, an dem ein Multistecker dran ist, wie praktisch. Ich setze mich auf eine Bierkiste und warte. Schaue immer wieder auf den Multistecker, nicht dass mein Mobile wegkommt. Ich trinke ein zweites Bier. Dann läuft mein Mitbewohner vorbei, mit seinem Kumpel. Sie trinken ein Bier mit, setzen sich ebenfalls auf Bierkästen. Luise lacht, als sie Simon und mich sieht. Sie sagt: „Wusste ich es doch!“ Und dann: „Na, Boys, wo gehen wir etwas essen?“ Ich antworte: „Ins Jade Magik Wok!“ Luise schmunzelt: „WTF?!“ Völlig zurecht, völlig zurecht! Doch auch diese lustige Geschichte möchte ein anderes Mal erzählt werden...

Was wirklich in das sehr unterhaltsame Buch kam, hier: http://www.amazon.de/Frankfurt-Walking-Peter-Koebel/dp/386286040X/

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