Niemand ist wie ich?!


Vor 15 Jahren wurde die Serie "Little Britain" zum ersten Mal im britischen Fernsehen gezeigt, eine Komikertruppe hat verschiedene Charaktere erfunden und sie spielen die Rollen völlig übertrieben in satirischen Szenen. Eine dieser übertriebenen Figuren ist der übergewichtige Daffyd, der der Meinung ist, der einzige Homosexuelle im walisischen Dorf Llandewi Breffi zu sein, doch in jedem Sketch wird er mit der Tatsache konfrontiert, dass in der Ortschaft fast nur Menschen seiner Orientierung leben. Er selbst ignoriert dies und gibt seine eigenen homophoben Vorurteile zum Besten. Eine solche Figur wäre 15 Jahre zuvor nicht möglich gewesen, die Macher*innen dieser Comedy-Serie hätten sie anders gezeichnet, hätten keine derben Späße darüber gemacht ...
15 Jahre vor der Serie fühlte ich mich wie der einzige Schwule in einem kleinen deutschen Kaff, die Zeit des Internet-Datings war noch nicht gekommen, eine schwule Jugendgruppe gab es bei uns nicht - die nächste war in Freiburg, immerhin fast 100 Kilometer entfernt. Im Fernsehen gab es Schwule nur vereinzelt, in der Lindenstraße zum Beispiel. Meist waren sie irgendwie besonders: übertrieben angezogen und affektiert, oft delinquent, pervers oder unmoralisch dargestellt. Schwule im Fernsehen stellten meist einen Problemfall dar, mit dem man sich als 08/15-Junge, der nicht auffallen möchte, nicht gerne identifizieren wollte. 
Ich kann mich erinnern, dass ich in die Stadtbücherei ging, alle Bücher durchforstete auf der Suche nach schwulen Vorbildern, nach Lebensentwürfen, die für mich passend sein könnten. Ich versteckte diese Bücher unter den Klassikern, die ich auch auslieh. Ich verschlang allerlei Bücher, von Roger Peyrefitte, Armistead Maupin, James Baldwin, alles, was ich finden konnte - viel war es ja nicht! 
Oft fühlte ich mich alleine, nein, einsam, überall sah ich nur Paare, Hetero-Paare natürlich, Jungs, die ich toll fand, verliebten sich in Mädchen, im Fernsehen schaute ich mir lustige Liebesfilme an, natürlich auch da immer Mann und Frau. Lange Zeit fühlte ich mich nicht in den Medien repräsentiert. Und wie soll man sich "normal" fühlen, akzeptiert, respektiert, wenn man etwas Besonderes war, das der Norm einfach nicht entsprach? Wie oft wurde ich belächelt, als Schwächling tituliert, hingestellt als sei ich absonderlich, krank, ja, widerwärtig. Als wäre ich, wie ich nicht sein sollte bzw. dürfte!
Als ich jung war, konnte ich nicht frei über meine Sexualität reden, zu groß war die Angst, dass man mich einfach nur verarschen würde - wenn ich einem Jungen sagte, dass ich ihn gut fand zum Beispiel, woher sollte ich wissen, dass er es nicht den anderen erzählte und seine Freunde mich die nächsten Wochen und Monate damit aufziehen würden? 
Daffyd denkt, dass ihn jede*r aufgrund seiner Homosexualität diskriminiert, ihn nicht leiden mag. Das ist nicht so, weil er in eine Welt hineingeboren wurde, die sich mittlerweile daran "gewöhnt" hat, dass es auch andere Sexualitäten gibt. Junge Schwule und Lesben gehen heutzutage wie selbstverständlich zum CSD, zeigen ihre Sexualität selbstbewusst in der Öffentlichkeit. Dafür haben die Schwulenemanzipierten der Generationen vor meiner Geburt und meiner Generation jahre- nein, jahrzehntelang schwer gekämpft. Wir wissen, dass es andere Zeiten gab, wir haben sie an unserem eigenen Leib erlebt. 
Doch es muss weitergekämpft werden: nicht nur müssen wir noch mehr Rechte für Schwule und Lesben erkämpfen, nein, wir müssen noch für mehr Akzeptanz kämpfen, Seite an Seite mit denen, die immer noch als anders betrachtet werden. Bisexuelle Menschen werden noch weniger akzeptiert, Transmenschen erfahren extrem viele Diskriminierungen, ähnlich sieht es mit Intersexuellen aus. Und was ist mit Menschen, die mehrfach diskriminiert werden? Gehandicapte Menschen, die eine andere nicht heteronormative Sexualität ausleben, LSBTIQ-Geflüchtete oder auch Asexuelle, Polyamouröse etc. 
Schauen wir uns nochmal das Fernsehen, das Kino, die Literatur an: es gibt immer mehr Figuren aus dem LSBTIQ-Bereich, aber es gibt noch deutlich Luft nach oben.
Ich bin mir sicher, dass viele Menschen, die heteronormativ fühlen / leben das nicht nachvollziehen können. Sie sind sichtbar, sie sind noch immer der "normale" Lebensentwurf, das, was sich die Eltern von ihren Kindern vorstellen. Sie kennen nicht das Gefühl der Einsamkeit, das Gefühl, falsch zu sein, weil man im öffentlichen Diskurs fast nicht vorkommt - und wenn dann als Problemfall, als etwas, das am besten nicht wäre. Menschen, die anders sind, brauchen Vorbilder in den Medien. 
Und wir alle brauchen diese Vielfalt!

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